Koalitionsvertrag der GroKo gibt keine Orientierung für die Mobilität der Zukunft
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- 12 Februar 2018
Wie beim Koalitionsvertrag insgesamt fehlt es auch im Mobilitätsteil an einer übergreifenden Idee. Auch wenn sie mit dem Postulat, die Koalition will eine „moderne, saubere, barrierefreie und bezahlbare Mobilität“ für alle vorhanden wäre, werden die Maßnahmen nicht systematisch daraus abgeleitet, sondern eher Kataloge für die einzelnen Verkehrsträger verfasst. Ein erfreulicher Grundsatz ist der Ausschluss von Privatisierungen, eine gemeinsame Idee ist die umfassende Anwendung digitaler Techniken.
Ein Schwerpunkt liegt bei dieser Kommentierung auf den Bereichen Straße und motorisierten Verkehr.
Im Bereich Infrastruktur könnte der angestrebte „Verkehrsinfrastrukturzustansbericht“ – je nach Ausgestaltung und Grad der Aktualität – nützlich sein, die Einhaltung des Grundsatzes Erhalt vor Neubau zu überprüfen und Fehlentwicklungen im Bestand schneller zu identifizieren. Besonders gefährlich ist der erneute Versuch, ein Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz zu schaffen, weil ein Abbau demokratischer Rechte zu erwarten ist, obwohl doch Projekte wie Stuttgart 21 oder der Flughafen Berlin/Brandenburg zeigen, dass die Probleme bei der Realisierung eher in den Bereichen Korruption, fehlende Koordination und Schwächen des Controlling liegen. Der demokratische Protest macht vor allem einen Teil der zu erwartenden Defizite dieser Großprojekte sichtbar.
Bereits bis Anfang 2019 soll eine Strategie „Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“ erarbeitet werden. „Klimaschutz, Luftreinhaltung, neue Mobilitäts- und Geschäftsmodelle und sich stark divergent entwickelnde Märkte“ sollen hier zwischen „Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie betroffenen Ländern und Regionen“ verhandelt werden.
Die Agenda ist erkennbar zu groß. Es wäre zwar sinnvoll, die Synergien und no-regret-Maßnahmen zwischen Klima, Luft und Digitales zu identifizieren. Ein solcher Ansatz lässt sich aber nicht erkennen. Da unter Mobilität vor allem Automobilität verstanden wird, werden die Maßnahmen viel zu kurz greifen und sich wahrscheinlich vor allem auf Maßnahmen zur Durchsetzung des Elektroautos, vielleicht noch ergänzt durch CO2-Grenzwerte für Autos, beschränken. Was dabei erkennbar fehlt, ist die notwendige Reduzierung des Autoverkehrs sowie die Förderung des Rad- und Fußverkehrs. Der ÖPNV steht auf der Agenda, wird aber wahrscheinlich lediglich unter dem Aspekt der Emissionen der Fahrzeuge behandelt.
Im Bereich Luftreinhaltung steht die sture Aussage: „Die Kommunen wollen wir unterstützen, die Emissionsgrenzwerte im Rahmen ihrer Luftreinhaltepläne mit anderen Maßnahmen als mit pauschalen Fahrverboten einzuhalten.“ Als wirksamste Einzelmaßnahme haben sich im Bereich Luftreinhaltung Umweltzonen bewährt. Ihre Wirksamkeit beruht darauf, dass Fahrzeugen mit hohem Ausstoß von Luftschadstoffen – bisher vor allem Dieselpartikel – „pauschal“ die Zufahrt zur Umweltzone untersagt ist. Um Umweltzonen im Bereich Stickoxide anzuwenden, müsste eine Blaue Plakette für Fahrzeuge mit vergleichsweise niedrigem Ausstoß von Stickoxiden vergeben werden. Es darf bezweifelt werden, ob der nicht näher beschriebene alternative Weg der Bundesregierung ausreichende Erfolge bringen und die EU-Kommission auf ihr Vertragsverletzungsverfahren verzichtet und die DUH mit ihren Klagen scheitern wird.
Über die notwendige und sinnvolle Nachrüstung von Autos mit SCR-Systemen will die Bundesregierung „entscheiden“. Es bleibt also noch unklar, ob und unter welchen Bedingungen diese wichtige Maßnahme zum Einsatz kommt. Nur wenn flächendeckend nachgerüstet wird, u.a. weil die Förderung der Nachrüstung für die Eigentümer der Fahrzeuge finanziell attraktiv ausgestaltet ist, könnte u.U. auf Blaue Plakette und Fahrverbote verzichtet werden.
Die Förderung von Mobilitätsplänen zur Schadstoffreduzierung ist ein Placebo, denn alle Kommunen mussten bereits Luftreinhaltepläne aufstellen. Sinnvoller wäre die Koordination der Umsetzung, die Identifizierung und gemeinsame Beseitigung von Umsetzungshindernissen.
Auch die Behauptung, man wolle ein „wirksames Sanktionssystem“ für Fahrzeuge die auf der Straße die gesetzlichen Grenzwerte überschreiten schaffen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Denn das Sanktionssystem ist vorhanden, obwohl es sicher noch verbessert werden kann. Allein, von der Bundesregierung wird es bisher nicht angewandt. Wie soll also ein wirksames Sanktionssystem geschaffen werden, wenn der politische Wille vollkommen fehlt?
Zum Bereich Dienstwagenbesteuerung, die ja bekanntlich einen Anreiz zur Anschaffung übermotorisierter, schwerer Autos mit hohen CO2-Emissionen bietet, fällt der geplanten Koalition nur ein, Elektroautos künftig zu privilegieren.
Die Nationale Plattform Elektromobilität soll zur Plattform Zukunft der Mobilität umgewandelt werden. Dies zeigt wieder, dass Mobilität mit Autoverkehr gleichgesetzt wird. Dementsprechend will man sich dort mit der „Weiterentwicklung der Automobilindustrie“ beschäftigen. Was ebenso zeigt, dass die Zukunft der deutschen Automobilindustrie allein im Bau von Elektroautos ggf. erweitert durch digitale Fähigkeiten gesehen wird. Der Umbau zum Mobilitätsdienstleister steht hier offensichtlich (noch) nicht auf der Agenda.
Im Bereich Verkehrssicherheit ist positiv das Eintreten für „Vison Zero“, d.h. für Null Verkehrstote.
Eine wichtige Anmerkung zum Schluss: Der Wechsel der Zuständigkeit für den Baubereich vom Umwelt- in das Innenministerium könnte sich negativ auswirken, weil man im Umweltministerium zunehmend ein Verständnis von lebenswerten Städten entwickelt hat, die mit einer Zurückdrängung des Autoverkehrs und der Raumverteilung zugunsten vor allem des Rad-, aber auch des Fußverkehrs verbunden ist. Man darf skeptisch sein, ob dies auch das Verständnis im neuen Heimatministerium sein wird.