Ressourcenmangel und Energiewende sind „Achillesfersen der E-Autos“
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- 5 April 2018
Wie sieht die Mobilität in Deutschland zukünftig aus? Laut Ingrid Remmers, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, werden die Menschen „viel stärker unterschiedliche Verkehrsmittel nutzen.“ Das Auto werde zwar weiter wichtig sein, aber an Bedeutung verlieren – vor allem, wenn Städte dem Rad- und Fußverkehr mehr Platz einräumen.
Auf 1.000 Einwohner kamen im Jahr 2016 genau 555 Pkw. Damit hat die Auto-Dichte in der Bundesrepublik einen neuen Höchststand erreicht, berichtet aktuell das Statistische Bundesamt. Den vielen Autoverkehr bekommen viele Städte und deren Bewohner immer häufiger zu spüren. Sie leiden unter verstopften Straßen und hoher Schadstoffbelastung.
Eine Möglichkeit, um zumindest die Belastung durch Schadstoffe einzudämmen, ist die Elektrifizierung von Bussen und Bahnen, meint Ingrid Remmers. Den reinen Austausch von privaten Autos gegen Elektrofahrzeuge hält sie dagegen für zu kurz gedacht. Warum, erläutert die Verkehrsexpertin im Interview mit finanzen.de. Darin zeigt sie zudem auf, mit welchen Problemen sich die Elektromobilität konfrontiert sieht.
WAS SIND IN IHREN AUGEN DIE NÄCHSTEN SCHRITTE, UM DIE ELEKTROMOBILITÄT AUF BUNDESEBENE VORANZUBRINGEN?
Ingrid Remmers: Zunächst einmal ist es wichtig, den Blick zu weiten. Elektromobilität heißt nicht nur Elektroauto, sondern auch Bahn, Straßenbahn und E-Fahrrad. Warum spricht eigentlich kaum einer von den 680.000 E-Bikes, die in Deutschland 2017 verkauft wurden?
Die Fachverbände haben errechnet, dass bereits mehr als 3,5 Millionen E-Bikes auf deutschen Straßen unterwegs sind. Die E-Revolution findet hier schon statt. Die Hälfte aller Wege, die wir in Deutschland täglich zurücklegen, ist kürzer als zehn Kilometer. Eine ideale Entfernung fürs Fahrrad beziehungsweise Elektrorad. Eine gute Infrastruktur dafür ist schon lange überfällig.
Bezogen auf Elektroautos wird es notwendig sein, sich intensiv mit der Rohstoffproblematik und der Beschleunigung der Energiewende zu befassen. Dies sind die beiden umweltpolitischen Achillesfersen für Elektroautos. Ohne Rohstoffe für die Batterien können auf Dauer keine E-Autos produziert werden.
WÜRDEN SIE PERSÖNLICH LIEBER EIN E-AUTO ODER EINEN DIESEL FAHREN?
Ingrid Remmers: Ich bin gerade dabei, mir einen Überblick bei E-Fahrrädern zu verschaffen. Meine Verkehrsmittelwahl ist zunehmend multimodal. Das heißt, ich wähle das Verkehrsmittel, was für den Zweck am meisten Sinn macht: mit der Bahn nach Berlin, demnächst mit dem E-Fahrrad in meinem Wahlkreis, aber auch mit dem Auto, gelegentlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
DIESELFAHRER INTERESSIEREN DERZEIT VOR ALLEM DIE DROHENDEN FAHRVERBOTE. WELCHE WÄRE IN IHREN AUGEN DIE BESTE LÖSUNG, DIESE VERBOTE ABZUWENDEN UND GLEICHZEITIG DIE STICKSTOFFDIOXIDBELASTUNG SO ZU REDUZIEREN, DASS DIE GRENZWERTE IN STÄDTEN UND KOMMUNEN EINGEHALTEN WERDEN?
Ingrid Remmers: Dazu haben wir als Linke schon einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Die beste Lösung ist es, dieAutohersteller zu einer Nachrüstung der Autos mit SCR-Systemen zu verpflichten. Damit bekommen die betrogenen Autokäufer endlich die Qualität, die sie von Anfang an haben wollten und für die sie auch bezahlt haben. Die Autos haben dann einen geringeren Ausstoß von Luftschadstoffen nicht nur im Labor, sondern auch im realen Leben auf der Straße. In den meisten Städten können damit auch Fahrverbote vermieden werden.
WERDEN DIE BÜRGERINNEN UND BÜRGER IN 15 JAHREN NOCH IN EINEM AUTO MIT DIESEL- ODER BENZINANTRIEB SITZEN ODER WIRD EINE ANDERE ANTRIEBSTECHNIK DAS MASS ALLER DINGE SEIN
Ingrid Remmers: Ich denke nicht, dass es bei den anstehenden gesellschaftlichen Veränderungen allein um den Antrieb der Autos geht. Wir werden ganz neue Verkehrsmittel und damit auch ganz neue Möglichkeiten bekommen. Ich empfehle den Blick auf Lastenfahrräder. Es ist schon sehr erstaunlich, was sich da in den letzten Jahren entwickelt hat.
Ich denke, wir alle werden viel stärker unterschiedliche Verkehrsmittel nutzen. Wenn die Bahn einen Taktfahrplan einführt, dann werden viele Menschen auf die Bahn umsteigen. Unsere Städte werden wahrscheinlich menschenfreundlicher durch Stadtplätze werden, die zum Verweilen einladen und an denen man zentral unterschiedliche Erledigungen auf kurzen Wegen machen kann. In diesen Städten haben wir dann auch viel mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr. Das Auto wird sicher nicht verschwinden, aber es wird weniger wichtig.
Veröffentlicht in: finanzen.de, 03.04.2018 von Anja Schlicht