Bewegungen für nachhaltige Mobilität bringen Verkehrswende voran
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- 17 September 2020
- von Sabine Leidig
Bewegungen für nachhaltige Mobilität bringen Verkehrswende voran - die Regierung bremst: Milliarden vom Bund werden für noch mehr LKW-, Auto- und Flugverkehr (fehl-)investiert. Wir wollen umsteuern: eine Finanzierungsoffensive für Bus und Bahn, statt A49 und ähnliche fossile Projekte!
Redetext
Herr Präsident! Liebe Gäste! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Auftakt unserer Debatte über die deutsche Nachhaltigkeitspolitik hat das Forum Umwelt und Entwicklung uns alle angeschrieben: 145 Nichtregierungsorganisationen, vom Arbeiter-Samariter-Bund über den Deutschen Kulturrat, von der Gepa über die GEW, von Greenpeace bis Brot für die Welt – alle sind sich einig, dass die Politik der Bundesregierung – ich zitiere – „abgrundtiefe Lücken in der Nachhaltigkeit“ zeigt. Sogar die Ziele der eigenen schwachen Nachhaltigkeitsstrategie werden verfehlt.
Beim Thema Mobilität sind die Verfehlungen eklatant. Noch immer wachsen Lkw- und Autoverkehr, noch immer werden fossile Verkehre jedes Jahr mit zig Milliarden Euro subventioniert, noch immer steigen der Flächenverbrauch und der Ressourcenverbrauch, noch immer befeuert der Bund den Aus- und Neubau von Autobahnen. Wenigstens damit muss mal Schluss sein!
(Beifall bei der LINKEN)
Allerdings ist die Lage nicht so hoffnungslos, wie es aussieht; denn wir sehen, dass die soziale und ökologische Verkehrswende in gesellschaftlichen Bewegungen an Fahrt gewinnt. Darüber möchte ich gerne reden, zuallererst über das neue Bündnis, in dem sich die Gewerkschaft Verdi und Fridays for Future zusammengetan haben. Gemeinsam mit dem BUND, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und anderen fordern sie eine konsequente Verkehrswende und ein langfristiges Konjunktur- und Investitionspaket, das die Bedürfnisse der Menschen und nicht den Autoverkehr zum Mittelpunkt macht.
Im Zentrum stehen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr. Dort ist unter Wettbewerbsdruck vor 20 Jahren in den Kommunen auf Sparkurs umgestellt worden. Die Folge sind Personalabbau, Flexibilisierungen der Arbeitszeit, Arbeitsverdichtung, Belastung und Stress vor allem bei den Fahrerinnen und Fahrern von Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen. 15 000 Vollzeitstellen fehlen heute schon, und durch den jahrelangen Einstellungsstopp wird in den nächsten zehn Jahren fast die Hälfte der Beschäftigten in Rente gehen.
100 000 Neueinstellungen stehen hier an. Mindestens 2 Milliarden Euro mehr sind pro Jahr nötig, damit es gute Arbeit für motivierte Menschen gibt, die uns in Bus und Bahn fahren und begleiten. Und ohne sie gibt es keine nachhaltige Mobilität.
(Beifall bei der LINKEN)
An dieser Stelle: Danke an alle, die das so zuverlässig unter allen widrigen Bedingungen getan haben und weiter tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir stehen als Linke an der Seite dieser Kolleginnen und Kollegen, wir stehen auch an der Seite der Allianz zwischen Gewerkschaft und Klimabewegung. Das ist eine nachhaltige Perspektive.
(Oliver Luksic [FDP]: Die sieht das aber anders!)
Dazu liegt auch ein Antrag von uns an den Bundestag vor.
Insgesamt werden jedes Jahr mindestens 10 Milliarden Euro mehr gebraucht, damit die Angebote im öffentlichen Nahverkehr verdoppelt werden können und alle Menschen nachhaltig mobil sein können. Vor diesem Hintergrund ist es wirklich widersinnig, dass jetzt – in meinem Heimatland Hessen – noch mehr Autobahnkilometer für Milliarden Euro gebaut werden sollen. Es ist gut, dass das Aktionsbündnis „Keine A49“ die jahrelange Arbeit der Bürgerinitiativen vor Ort – für Wasserschutz, für nachhaltige Alternativen – mit den tatkräftigen Baumbesetzungen zusammenbringt, unter dem Motto „Wald statt Asphalt“. Am vergangenen Sonntag haben sich Hunderte interessierte Bürger vor Ort die Lage angesehen: Der Wald steht noch, und es sind viel Solidarität und öffentliche Aufmerksamkeit erwachsen.
Die Grünen fordern jetzt hier vom Bundesverkehrsminister ein Moratorium für den geplanten Ausbau. Dem stimmen wir natürlich zu; denn für nachhaltige Verkehrswege muss gelten: Eisenbahn statt Autobahn.
(Beifall bei der LINKEN)
Allerdings ist natürlich völlig klar, dass, obwohl wir mehr Bahninfrastruktur brauchen, nicht jedes Projekt, das viele Milliarden Euro kostet, sinnvoll ist, und deshalb fordern wir auch für Stuttgart 21 ein Moratorium, damit die interessanten Vorschläge für eine bessere und nachhaltige Nutzung geprüft werden können, bevor noch mehr Milliarden in diese Baugrube versenkt werden.
(Michael Donth [CDU/CSU]: Damit verhindern Sie den Deutschlandtakt!)
Es ist schon verrückt, dass dort der öffentliche Verkehr über Jahre stark beeinträchtigt wird, während der Auto- und Lkw-Verkehr weiter sechsspurig durch die Stadt rauscht.
Es gibt noch eine ganze Menge weiterer Initiativen von unten, die nachhaltige Mobilität vorantreiben. Ich erinnere an die Initiative der Betriebsräte, die kreativ und bündnisstark den Kampf für den Erhalt der Nachtzüge angeführt haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben das von Anfang an unterstützt. Das Hohe Haus hat in seiner Mehrheit befunden, dass das Schnee von gestern ist. Inzwischen erleben die Nachtzüge eine Renaissance, leider nicht bei der Deutschen Bahn. Auch das ist verfehlte Politik und überhaupt nicht nachhaltig.
(Beifall bei der LINKEN)
Nicht zuletzt sind die Fahrradvolksentscheide große Räder, die von den Bürgerinnen und Bürgern selbst in Bewegung gebracht werden. 35 Städte sind auf dem Weg, sich mehr gute Fahrradinfrastruktur zu erobern, unterstützt von Changing Cities, und die Wiege dafür ist der Fahrradvolksentscheid in Berlin mit glasklar begründeten Forderungen, konkret für eine fahrradfreundliche Infrastruktur. Hier gibt es auch das erste Mobilitätsgesetz, das gerechte Verkehrsverhältnisse zum Ziel hat. Da ist ein großer Schritt im Wechselspiel mit einer Regierung gelungen, die bereit ist, demokratische Impulse für Nachhaltigkeit aufzunehmen, und daran sollten sich alle hier ein Beispiel nehmen. Die Mehrheit der Bevölkerung will mehr nachhaltige Mobilität und kein Weiter-so.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)