Jenseits der Hinterzimmer: Endlagersuche neu gedacht
- Details
- 5 Juni 2012
Besonders die im Gesetzentwurf sehr spät und dürftig ausfallende Bürgerbeteiligung wurde weder von den Initiativen, noch von den Oppositionsparteien akzeptiert. Angesichts der Erfahrungen von Stuttgart 21 und neu gestarteter Suchverfahren in Großbritannien und der Schweiz, mit sehr weit gehender Mitwirkung der Bürger, wollten sich auch die Seminarteilnehmer nicht mit sogenannten Zeitfenstern und einer Alibi-Bürgerbeteiligung abspeisen lassen. Es wurde ein konkreter Vorschlag zur mediatorischen Begleitung des Endlagersuchprozesses gemacht, der von einer glaubwürdigen Institution, wie z.B. der Kirche oder der Deutschen Umwelthilfe (DUH) organisiert werden müsse, da das Vertrauen in Ministerien und staatliche Institutionen nicht mehr vorhanden sei.
Über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer rangen um bessere Lösungen für dieses nationale Problem, wo es um Sicherheit mit der biblischen Zeitdimension von einer Million Jahre geht. Eine gründliche Arbeit ohne Zeitdruck am Anfang könnte am Ende der schnellere Weg sein, wenn es dabei gelingt, das Vertrauen in Politik und Wissenschaft wieder herzustellen und einen gesamtgesellschaftlichen Konsens in der Atommüllfrage zu erarbeiten.
Spannend wurde es, als Jochen Stay von der Initiative "ausgestrahlt" Umweltminister Birkner ein Angebot machte: Er sei im Falle eines wirklich ergebnisoffenen und neuen Bürgerbeteiligungsverfahrens bereit zur Zusammenarbeit, um eine bestmögliche Lösung für das Atommülldilemma zu finden. Immerhin, erinnerte daraufhin die Vorsitzende der Rechtshilfe Gorleben, Asta von Oppen, habe Stay in der Vergangenheit Hundertausende auf die Straße gebracht. Das Publikum applaudierte und Birkner blieb nachdenklich zurück.
Auch nach Ende des offiziellen Programmes ging die Diskussion bei einem Glas Bier oder Wein bis in die späten Nachtstunden weiter. Kreuz und quer, Gegner und Befürworter. In einer Intensität, die nur möglich ist, wenn alle Teilnehmer fern der Heimat sind und nicht gleich nach Hause entschwinden können.
Am Ende hielt Umweltminister Birkner zwar unvermindert an einem schnellen Atommüllkonsens vor der Sommerpause fest, machte aber Zugeständnisse, die vorläufige Sicherheitsanalyse (VSG) zu beenden und zeigte sich offen für andere Trägerformen, als das geplante Endlagerinstitut. Er besteht darauf, Gorleben nicht außen vor zu lassen, ihm aber auch keinen Sonderstatus zuzugestehen. Gorleben soll weder Referenz- noch Vergleichsstandort sein und mit den gleichen Kriterien gemessen werden wie alle anderen Standorte.
Die CDU (Maria Flachsbarth) will dem neuen Bundesinstitut für Endlagerung alle Aufgaben übertragen. Gorleben soll im Topf bleiben und später verglichen werden.
Die Grüne Bundeslinie (Sylvia Kotting-Uhl), bleibt dabei, Gorleben nicht aus dem Verfahren zu nehmen. Die Landesgrünen (Stefan Wenzel und Miriam Staudte), sowie die Kreisgrünen mit Martina Lammers bleiben bei ihrer Forderung, genau wie die Bundes-SPD (Matthias Miersch), das Projekt Gorleben für geologisch ungeeignet zu erklären und sofort zu stoppen, wie dies DIE LINKE (Dorothée Menzner) von Anfang an gefordert hat.
Die Vorträge der Experten aus der Schweiz Monika Jost und Viola Schetula haben deutlich gemacht, wie ein transparentes Bürgerbeteiligungsverfahren aussehen kann und wie dies zeitgemäß auch in der Bundesrepublik aussehen müsste.
Es ist ein Verdienst der Evangelischen Akademie Loccum, dies mit seinem gut organisierten Tagungsprogramm heraus gearbeitet zu haben. Und es wäre folgerichtig, wenn sich die Kirchenspitze auch besonders für so ein partizipatives Verfahren von Anfang an engagierte. Denn ohne eine solche Vertrauensbildung und Beteiligung wird es nirgendwo in Deutschland möglich sein, ein Atommülllager für hochradioaktiven Abfall zu installieren.