Ein Lobbyist für den Schienenverkehr ist Herr Pofalla nicht!

Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder - am Beispiel Pofalla...
Rede von Sabine Leidig am 16.1. 2014 zu einem Antrag der Grünen "Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder", Video und Redetext unten, Video hier (Einbettung zur Zeit leider nicht möglich)

Wir sind überhaupt nicht dagegen, dass Allgemeinwohlinteressen durch politische Einflussnahme auf Wirtschaftsunternehmen durchgesetzt werden. Dazu ist ein Parlament und dazu ist eine Regierung da. Das gilt natürlich erst recht für ein Unternehmen, das dem Bund gehört, aus Steuermitteln finanziert wird und öffentliche Aufgaben hat, wie es bei der Deutschen Bahn der Fall ist.

Aber erstens muss darüber öffentlich beraten und diskutiert werden, die Entscheidungswege müssen transparent sein, und alle gesellschaftlichen Interessen müssen zum Tragen kommen.

Zweitens muss in diesem speziellen Fall ein gutes Bahnangebot für alle das Ziel der politischen Einflussnahme sein.




Redetext:

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin dem Kollegen Uhl sehr dankbar für diese Steilvorlage; denn ich möchte den speziellen Fall „Pofalla und die Deutsche Bahn“ hier kurz beleuchten. Er zeugt von einem ‑ davon bin ich überzeugt ‑ maroden Politikstil, von dem die Bürgerinnen und Bürger hierzulande zunehmend frustriert sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Vorweg: Wir sind überhaupt nicht dagegen, dass Allgemeinwohlinteressen durch politische Einflussnahme auf Wirtschaftsunternehmen durchgesetzt werden. Dazu ist ein Parlament und dazu ist eine Regierung da. Das gilt natürlich erst recht für ein Unternehmen, das dem Bund gehört, aus Steuermitteln finanziert wird und öffentliche Aufgaben hat, wie es bei der Deutschen Bahn der Fall ist.

Aber erstens muss darüber öffentlich beraten und diskutiert werden, die Entscheidungswege müssen transparent sein, und alle gesellschaftlichen Interessen müssen zum Tragen kommen.

Zweitens muss in diesem speziellen Fall ein gutes Bahnangebot für alle das Ziel der politischen Einflussnahme sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu beiden haben Frau Merkel und Herr Pofalla aber das Gegenteil getan. Ein Exempel dafür ist der unsinnige Tunnelbahnhof Stuttgart 21.

Wir erinnern uns: Vor etwa einem Jahr musste man zugeben, dass der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro um mindestens 2 Milliarden Euro überschritten wird. Ein internes Papier aus dem Verkehrsministerium bestätigte die vielen Zweifel, die längst existierten. Der Vorstand konnte die Wirtschaftlichkeit des Projektes nicht nachweisen. Die Projektpartner wollten keine zusätzlichen Kosten übernehmen. Eigentlich hätte der Aufsichtsrat, der die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu überwachen hat, den geordneten Ausstieg beschließen müssen. Aber es kam anders. Am 5. März entschied der Aufsichtsrat für den Weiterbau.

Was war geschehen? Herr Pofalla hatte im Namen der Kanzlerin in Einzelgesprächen massiv auf die drei Staatssekretäre eingewirkt, die für den Bund im Aufsichtsrat der Bahn sitzen. Er hat sie damit zur Untreue an diesem öffentlichen Unternehmen angestiftet. Deshalb ist jetzt übrigens auch ein Strafantrag gegen ihn gestellt worden. Das alles geschah nur, weil die Kanzlerin auf keinen Fall im Wahljahr eine politische Niederlage einstecken wollte. Das ist der eigentliche Skandal.

Pofalla wird wohl demnächst von der Bahn bestens bezahlt. Aber ein Lobbyist für den Schienenverkehr ist er nicht. Im Gegenteil: Die 6, 7 oder mehr Milliarden Euro, die bei Stuttgart 21 vergraben werden, fehlen ja für den Ausbau der Bahn in der Fläche.

Nun wird gemutmaßt, dass der Vizekanzler, Herr Gabriel, die Kröte Pofalla schlucken wird, damit im Gegenzug ein Pöstchen von ihm zu besetzen wäre. Wenn es stimmt, dass dann Herr Großmann, der Duzfreund von Herrn Schröder, Atomenergieverfechter, Stahlbaron und ICE-Achsenmonopolist, zum Aufsichtsratsvorsitzenden der DB AG werden soll, dann wäre das ein genauso übles Treiben.

(Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Wovon träumen Sie nachts?)

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, diesem Ansinnen einen Riegel vorzuschieben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit, Frau Kollegin.

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Ich komme zu meinem letzten Satz. ‑ Wirklich nötig wäre etwas ganz anderes: dass die Zahlen und Pläne der Deutschen Bahn AG veröffentlicht werden, wie es in der Schweiz möglich ist, dass endlich Fahrgast- und Umweltverbände, Behindertenvertreter sowie Regionalbahnen die Ziele und Projekte der Deutschen Bahn bestimmen und daran beteiligt sind. Dieses Unternehmen gehört nämlich uns allen und darf kein machtpolitischer Spielball des Kanzleramtes bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)