Kritischer Konsum statt Verbrauchertäuschung

© Peter Smola / PIXELIO www.pixelio.deWir erliegen allzu häufig den Versprechen der Unternehmen und füllen doch nur die Kasse deren Anteilseigner. So kaufen wir Ungleichheit und konsumieren die Umverteilung von unten nach oben.

Konsum, also der Kauf von Gütern und Dienstleistungen für den privaten Gebrauch, wird nur bedingt von unseren Bedürfnissen bestimmt. Er wird maßgeblich von den Herstellern und vom Handel beeinflusst. Marketingstrategien, Werbung und Platzierung beeinflussen unsere Kaufentscheidungen im hektischen Alltag vielmehr als wir uns zugestehen. Es werden nicht nur neue und teilweise auch überflüssige Bedürfnisse erzeugt, denen wir glauben folgen zu müssen. Wir werden auch gezielt zu unnötigen Käufen verleiten und erwerben Produkte und Dienstleistungen, deren angepriesene Erwartungen nicht oder nur teilweise erfüllt werden. Häufig ist der Preis nicht angemessen oder der Kauf erzeugt Folgekosten, die zunächst nicht abschätzbar waren. Wir treffen dann keine selbstbestimmte Kaufentscheidung.

Oft soll Konsum über die Deckung des Grundbedarfs hinaus auch den Wunsch nach Teilhabe und Akzeptanz in der Gesellschaft befriedigen. In diesem Wissen verspricht der Markt gezielt deren Erfüllung, weshalb Täuschung und Irreführung immer wieder verfangen. Erworbene Dinge binden dann aber einen Teil unserer begrenzten finanziellen Mittel und können dadurch das eigentliche Bestreben, nämlich die Verwirklichung des erhofften Lebensstiels bzw. eines erfüllten Lebens, behindern.

Viele Produkte und Dienstleistungen werden immer komplexer und kommen in unzähligen Ausführungen und Varianten auf den Markt. Wir sind kaum noch in der Lage, den eigentlichen Wert und Nutzen vor dem Kauf zu ermitteln. Hinzu kommen umfassende Produktinformationen, rund 1.000 Labels und ausführliche Geschäftsbedingungen. Die sozialen und ökologischen Bedingungen, unter denen die Sachen hergestellt und vertrieben werden, sind hingegen nur selten offensichtlich.

Werden wir in die Lage versetzt, Produkte und Dienstleistungen objektiv und kritisch zu bewerten, können wir den Konsum besser an unseren Bedürfnissen zur Verwirklichung eines guten Lebens ausrichten. Dafür muss der Staat die Voraussetzungen schaffen. Die Kauferfordernisse müssen von den Versprechen, Verführungen und Lügen des Marktes befreit werden. Das gelingt zunächst durch eine verbraucherfreundliche Marktregulierung. Grundlegende Bedingung ist darüber hinaus die uneingeschränkte Informationsfreiheit. Das bedeutet auch, dass die Verbraucherinformation Vorrang vor Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bekommt. Erkenntnisse der Behörden über Unternehmen müssen ungehindert den Weg zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern finden. Ihnen müssen alle Informationen rund um ein Produkt von der Rohstoffschöpfung bis zur Entsorgung zur Verfügung stehen. Selbstverständlich soll und kann der oder die Einzelne eine solche Informationsflut nicht verarbeiten, denn nicht die Kundin oder der Kunde ist die Kontrollinstanz. Eine wirksame Kontrolle der Unternehmen obliegt den Expertinnen und Experten bei den Verbraucherorganisationen als Marktwächtern und den Behörden als Überwachungsinstanz. Sie bündeln wichtige Erkenntnisse über Produkte und Dienstleistungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher in allgemeinverständlicher Weise. Irreführung und Täuschung werden damit wirksam entlarvt bzw. von vornherein verhindert.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen also auf Augenhöhe mit Unternehmen handeln können. Dazu gehört die Möglichkeit der Sammelklage genauso wie eine Unternehmenshaftung. Verbraucherschutz in diesem Sinne bedeutet, nicht nur den Schutz vor unlauterem Geschäftsgebaren, sondern auch der Schutz vor den Profitinteressen Weniger auf Kosten sozialer und ökologischer Mindeststandards, auf Kosten der Beschäftigten und der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei MdB Karin Binder, Verbraucherpolitikerin der Fraktion DIE LINKE.



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