Stochern im EHEC-Nebel

Wo steckt der EHEC-Erreger? © Jörg N. / PIXELIO www.pixelio.deDer aktuelle EHEC-Ausbruch mit bisher fast 30 Toten und vielen schwer erkrankten Patienten übertrifft alles, was bisher über diese Darm-Infektion bei Menschen bekannt war. Wie schon bei BSE, Blauzungenkrankheit und Geflügelgrippe traf uns dieser Ausbruch unvorbereitet. Dabei haben WissenschaftIerInnen schon länger auf die Risiken hingewiesen. Die EHEC-Bakterien haben einige potentiell gefährliche Eigenschaften. Sie kommen bei vielen Rindern vor,

ohne dass diese erkranken. Das größte Risiko sind die genetischen Codes, mit denen die EHEC-Erreger für Menschen gefährliche Gifte herstellen können. Sie sind vielfältig und leicht untereinander austauschbar. So konnte sich die sehr gefährliche Variante O104:H4 entwickeln. Gerät dieser EHEC-Stamm nun auf Gemüse, das roh verzehrt wird, entsteht ein massives Problem. Wie aktuell zu beobachten.

 

Allerdings müssen wirklich sehr ungünstige Bedingungen zusammentreffen, damit es zu einem solchen Ausbruch kommt. Aber er war denkbar, also hätte man sich vorbereiten müssen. Stattdessen wurde geduldet, dass bei 80 Prozent der bisher deutlich harmloseren EHEC-Infektionen der Infektionsweg und die Quelle nicht gefunden wurden. Dieses Unwissen hat nun eine hektische Suche zur Folge. Diese Wissenslücke hat Tote und Schwerkranke zur Folge. Es gibt nicht einmal eine Risikobewertung für das potentielle EHEC-Risikomaterial Rindergülle, wie Ministerin Aigner auf meine Nachfrage in der Regierungsbefragung am Mittwoch zugeben musste. In solchen Risikobewertungen wird das Verbreitungsrisiko eines Erregers über unterschiedliche Infektionswege wissenschaftliche analysiert und bewertet. Im Fall von EHEC wären das Verunreinigungswege für roh verzehrte Lebensmittel. Statt also strategisch die Infektionsquelle suchen zu können, stochert man im Nebel und ist noch drei Wochen nach Kenntnis der Schwere des Ausbruchs allein auf Indizienketten aus Patientenbefragungen angewiesen. Die sind bei den Sprossen zwar erdrückend, deshalb war auch die Warnung ohne Erregernachweis richtig. Aber ohne Nachweis der gefährlichen EHEC-Variante wird so die Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher eher noch verstärkt.

Zum Wissensdefizit kommt eine ständig wachsende Gefahr durch die globalen Personen- und Handelsströme. Sie haben die Wahrscheinlichkeit und die Geschwindigkeit der Verbreitung von Infektionserregern extrem erhöht. Gleichzeitig sind die Produktions- und Handelsstrukturen bei Lebensmitteln komplexer geworden. Ein solches System ist mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Der Abstand von Lebensmittelkrisen wird immer kürzer. Opfer werden wegen wirtschaftlicher Interessen in Kauf genommen.

Für DIE LINKE gibt es zwei Konsequenzen: Lebensmittel müssen wieder regionaler produziert und vermarktet werden und es wird ein Zentrum gebraucht, dass wissenschaftlich begründete Verhütungs- und Bekämpfungskonzepte für Infektionserkrankungen von Tieren - einschließlich auf den Menschen übertragbarer Erreger - zur Politikberatung erarbeitet.

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