Brandenburg zwischen Wind und Kohle – eine energiepolitische Absurdität
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- 17 Januar 2011
Die Energiestrategie 2020 des Landes Brandenburg (beschlossen 2008 von SPD und CDU) formuliert ehrgeizige Ausbauziele für Erneuerbare Energien. Doch die verwendete Bezugsgröße ist in der politischen Diskussion bis heute tabu. Brandenburg will bis 2020 den Primärenergieverbrauch auf 603 PetaJoule senken und davon einen Anteil von 20 Prozent, also 120 PJ aus Erneuerbaren Energien gewinnen. Für die größten Konflikte sorgen die dabei eingeplanten 55 PJ Windkraft.
Was nur zwischen den Zeilen der Energiestrategie steht: von den 603 PJ entfallen etwa 300 PJ auf Braunkohle. Etwa so viel war es 2004 (S. 24 der Energiestrategie) und etwa so viel soll es nach dem Willen der Energiestrategie auch bleiben. Dabei schlägt der Export von Braunkohlestrom massiv zu Buche. Gemäß einer Fußnote auf Seite 5 der Energiestrategie wird der Primärenergieverbrauch zwar „exportbereinigt“ angegeben. Das bedeutet aber, dass nur der exportierte Strom abgezogen wird, die bei seiner Herstellung ungenutzte Energieanteil (Umwandlungsverlust) verbleibt in der Bilanz. Beim Kraftwerk Jänschwalde, dem größten des Landes, macht der etwa zwei Drittel der eingesetzten Energie aus.
Die Bezugsgröße von 603 PJ beruht also auf folgender Annahme: „Es wird davon ausgegangen, dass Wettbewerbsvorteile für die Braunkohleverstromung bestehen bleiben. Bei der Umsetzung der Vereinbarung zum Ausstieg aus der Kernenergienutzung wird die Bedeutung der Lausitzer Braunkohle für die Grundlaststrombereitstellung in Deutschland steigen. Die Rolle Brandenburgs als Stromexportland wird sich damit weiter festigen.“ (S. 24 der Energiestrategie) Den konkret für 2020 prognostizierten Primärenergieverbrauch aus Braunkohle verschweigt die Energiestrategie sogar! Er könnte in dem bis heute nicht veröffentlichten Prognos-Gutachten stehen, welches der Strategie zugrundelag. (Die Quellenangabe auf S. 62 lautet: Prognos AG: Endbericht „Grundlagen für die Fortschreibung der Energiestrategie Brandenburg“, Berlin, Dezember 2007)
Fakt ist: Selbst mit dem Atomausstieg ist die künftige Rolle von herkömmlichem Grundlaststrom stark umstritten. Zunehmend wird Mittel- und Spitzenlast aus flexiblen (Gas-)Kraftwerken benötigt und das nicht zuletzt wegen des Ausbaus der Windkraft. Insofern ist die Brandenburger Energiestrategie ein einziger Widerspruch in sich. Die Strategie daran besteht lediglich in dem kindischen Verlangen, wegen der Steuereinnahmen und Arbeitsplätze von allem so viel wie möglich zu wollen. Nur Atomkraftwerke will man nicht, weil man eh keins mehr abbekommen würde. Ob der Stromexport aus Brandenburg tatsächlich beliebig steigerbar ist, hat man wohl vorsichtshalber nicht untersucht.
Offenbar wissen die wenigsten Politiker in Brandenburg wovon sie reden, wenn sie mal wieder „20 Prozent Erneuerbare am Primärenergieverbrauch“ beschwören, weil ihnen Zahlen in Joule oder Watt zu kompliziert sind: Man müßte nur den Export von Braunkohlestrom verringern und schon könnte man das 20 %-Ziel spielend überbieten. Verstromt man z.B. nur 5 Millionen Tonnen Kohle weniger für den Export, verringert sich der Primärenergieverbrauch um mehr als 27 PJ (bei einem Energiegehalt der Rohbraunkohle von 8650 Kilojoule/kg und 37 Prozent Wirkungsgrad), es würden etwa 5 PJ Windstrom weniger gebraucht, um auf 20 Prozent zu kommen. Das sind 347 Windräder á 2 Megawatt (1 Petajoule = 0,278 Terrawattstunden; 2000 Vollaststunden pro Jahr angesetzt). Ausbauziele für Erneuerbare sollten sich also besser an den vorhandenen Potenzialen (und Konflikten) orientieren, als an der Menge des Braunkohlestromes, den Vattenfall gern verkaufen würde.
Emissionshandel oder Atomstrom könnten nun schneller als gedacht zur Erfüllung des 20 %-Zieles in Brandenburg führen. Man sollte sich genau überlegen, ob das wirklich ein Anlaß ist, das absolute Windkraft-Ziel von 55 PJ noch zusätzlich nach oben zu schrauben. Sollte Brandenburg statt so viel wie möglich nicht lieber so nachhaltig wie möglich Energie gewinnen? Zugrundeliegende Gutachten und Szenarien müssen öffentlich zur Diskussion gestellt werden, bevor eine „Fortschreibung“ der Energiestrategie vorgenommen wird.
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