Bundestag: CCS-Protest und Debatte

DSC04329_-_KleinWiderstand vorm Bundestag: Mit einem riesigen gelben Kreuz protestierte heute Greenpeace gegen die Abscheidung und unterirdische Verpressung von CO2 (CCS).

Drinnen berieten am Nachmittag die Abgeordneten über zwei Gesetzentwürfe. Einer, der Regeln für die geplante Abscheidung und unterirdische Verpressung von Kohledioxid aufstellt; ein zweiter, der solch eine Verpressung verbieten möchte.

Der erste kommt von der Bundesregierung. Die Linksfraktion hat den zweiten eingebracht. Und zwar weil sie der Überzeugung ist, dass CCS eine Sackgasse ist. Die Technologie sei ein gefährlicher und teurer Irrweg, stellte Eva Bulling-Schröter in ihrer Rede klar.

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Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegen heute zwei Gesetzentwürfe vor: einer, in dem Regeln für die geplante Abscheidung und unterirdische Verpressung von Kohlendioxid aufgestellt werden, und ein zweiter, in dem eine solche Verpressung verboten wird. Die Linksfraktion hat den zweiten eingebracht. Wir sind nämlich der Meinung, dass CCS eine Sackgasse ist; diese Technologie ist ein gefährlicher und teurer Irrweg.

(Beifall bei der LINKEN)

CCS wird, wenn überhaupt, frühestens 2030 großtechnisch verfügbar sein. Dann aber werden die erneuerbaren Energien schon deutlich billiger sein als eine fossile Stromerzeugung mit CCS. Da dies so ist, müsste CCS gegenüber regenerativen Energien schon jetzt massive Vorteile haben; denn sonst könnten wir es ja gleich bleiben lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hat CCS also solche Vorteile, etwa bei der Sicherheit? Wohl kaum!

Schauen wir uns allein das Drama um die Asse an. Die abenteuerlichen Fehleinschätzungen von Wissenschaftlern und Unwahrheiten der Politiker verschlagen einem hier förmlich den Atem. Mit den strahlenden Erblasten dessen, was angeblich Hunderttausende von Jahren sicher sein sollte, werden sich noch Generationen herumschlagen.

Milliarden Tonnen von CO2 sollen ewig sicher sein und in der Erde bleiben. Wem, bitte schön, wollen Sie diesen Unsinn erzählen? Das glaubt einfach niemand. Wie sich Klüfte und Störungen tief in der Erde exakt verhalten, wenn aggressive Gase unter hohem Druck verpresst werden, kann ernsthaft niemand sicher voraussagen.

In Schleswig-Holstein sickern aufgrund natürlicher Prozesse schon jetzt extrem salzhaltige Wässer nach oben. Etwa ein Drittel der Trinkwasserreservoire sind deshalb nicht mehr nutzbar. Was ist, wenn der hohe CCS-Verpressungsdruck diese Salzpampe auch in anderen Gegenden irgendwann nach oben drückt? Das Süßwasser wäre dann für riesige Gebiete unwiederbringlich unnutzbar. Überdies: Kohlendioxid ist zwar nicht giftig wie Kohlenmonoxid, wenn man aber bei Unfällen daran erstickt, weil es die Luft verdrängt, dann nützt das herzlich wenig.

Dass die Erneuerbaren all diese Risiken nicht haben, ist klar. Bei Sonne und Wind haben wir auch keine Ressourcenprobleme. Setzen wir dagegen weiter in großem Umfang auf Kohle, so machen wir uns ‑ insbesondere bei der Steinkohle ‑ abhängig von bedenklichen Importen. Im Zusammenhang mit der Braunkohle zerstören wir mit Landschaft und Siedlungen nicht nur unsere Heimat, sondern auch den Wasserhaushalt.

CCS wirkt dabei wie ein Turbogenerator. Wegen der miesen Effizienz der Technik brauchen wir je Kilowattstunde ein Drittel mehr Brennstoff. Dazu habe ich von Ihnen noch nichts gehört.

Macht CCS wenigstens Sinn, weil die Großkraftwerke länger Grundlaststrom liefern können? Das ist genauso Unfug; denn die schwankende Einspeisung von erneuerbaren Energien muss in ein flexibles System von Erzeugung, Verbrauch und Speicherung eingebettet sein. 2030 wird sicher noch Platz für schnelle Gaskraftwerke sein ‑ heute Vormittag wurde darüber diskutiert ‑, nicht aber für eine Armada von trägen Kohlekraftwerken mit angeschlossenem Chemiewerk zur CO2-Reinigung.

(Beifall bei der LINKEN)

Bliebe noch die Mär von CCS als Hilfsbringer für kaum vermeidbare Prozessemissionen in der Industrie, etwa für Stahlwerke oder Zementfabriken. Das ist ja das Totschlagargument gegen grundsätzliche CCS-Kritiker, ähnlich wie das absurde Technologieversprechen der Biomasse-CCS, mit dem irgendwann Treibhausgase aus der Atmosphäre gemolken werden sollen, um sie unter der Erde verschwinden zu lassen.

Ich darf dazu anmerken, dass die Industrie selbst gar nicht an CCS allein für Stahl und Kalk glaubt, und zwar nicht nur wegen der horrenden Kosten, sondern auch deshalb, weil es ohne die Infrastruktur für Kohle-CCS auch kein Industrie-CCS geben wird. Allein wegen der Prozessemissionen wird niemand ein eigenes Pipeline- und Speichersystem aufbauen, und Biomasse ist dem Wesen nach dezentral zu ernten. Wer hier CCS einsetzen möchte, der erzeugt entweder gigantische Verkehrsströme oder Monokulturen.

Was bleibt also von CCS? Die anvisierten geologischen Formationen könnten rechnerisch im besten Fall die Emissionen einer halben Kraftwerksgeneration aufnehmen. Danach ist sowieso Schluss. Dafür hinterlassen wir unseren Enkeln ein neues Endlagerproblem für Tausende Generationen. Das Ganze rechnet sich nicht, und energiewirtschaftlich behindert es die Energiewende.

Warum also wollen Sie CCS? Allein um die Laune weniger Konzerne zu bedienen, mit Subventionen noch ein paar Jahrzehnte länger Kohle verstromen zu können? Ich frage Sie: Reicht dies als Begründung aus?

(Beifall bei der LINKEN)