Der Salzstock Gorleben ist tot

Bericht vom Gorleben-Untersuchungsausschuss 8. Juli 2010

Der Geologe Klaus Duphorn bestätigt, dass Gorleben als Endlager-Standort ungeeignet ist. Das wusste man schon vor 30 Jahren. Doch die Regierung hat den kritischen Wissenschaftler Duphorn diskreditiert und gechasst

Das mit dem Erinnern ist so eine Sache. Doch für die Gedächtnisleistung der Menschen gibt es eine kleine Regel: Momente, die den Lauf der Dinge entscheidend verändern, vergisst man selten. So geht es wohl auch dem Geologen Klaus Duphorn, der am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aussagte. Er ist bekannt als Gorleben-Kritiker, der bereits 1981 vor den geologischen Schwächen des Salzstocks gewarnt hat.  Durch ein kritisches Gutachten zum Salzstock fiel er bei seinen Auftraggebern, der Bundesregierung, in Ungnade, erhielt keine Aufträge mehr und musste seine Mitarbeiter entlassen. Seine damaligen Untersuchungsergebnisse und die Auswertung der Untersuchungen der BGR brachten schon damals ein eindeutiges Ergebnis: Der Salzstock Gorleben ist als Endlager für hochradioaktiven Atommüll ungeeignet.

Professor Duphorn kann sich gut an diese Zeit vor 30 Jahren erinnern. Er war Ende der siebziger Jahre an der obertägigen Erkundung des Salzstocks beteiligt. Heute wirkt er keinesfalls verbittert - ärgern allerdings kann er sich immer noch über die Versuche 1982 aus dem Bundesforschungsministerium (BMFT), ihn fachlich zu diskreditieren. Dass Duphorn keine Vertragsverlängerung erhielt, weil seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mit der politischen Linie des Hauses übereinstimmten, bestätigt vor dem Ausschuss später auch der damals im BMFT ansässige Zeuge Wolf von Osten: „Das ist mit Sicherheit so.“ Es habe bei Kernenergiebefürwortern im Forschungsministerium die Meinung gegeben, dass man einige Wissenschaftler nicht befragen sollte. Duphorn hätte gerne weiter mit der PTB zusammengearbeitet und es gibt Anzeichen, dass es auch auf Seiten der PTB dieses Interesse gab. Doch die vorgesetzten Behörden beendeten die Zusammenarbeit. Duphorn hatte immer wieder auf das Wasser in der Gorlebener Rinne hingewiesen, die Grundwasserdynamik im Deckgebirge, auf Risse im Dauerfrostboden, die bis zu 600 Meter tief sein können. Dass das Deckgebirge tatsächlich nicht den Erwartungen entsprach, hatte bei den Verantwortlichen schließlich zur Konsequenz, dass man die geologischen Kriterien hintan stellte und strahlenmedizinische Kriterien höher bewertete.

Salz ist out

Doch der Auftragsentzug hat dem Ruf des Geologen und Hochschullehrers Duphorn von der Universität Kiel nicht geschadet. Er ist der bislang einzige unabhängige Wissenschaftler, der vor dem Untersuchungsausschuss aussagte. Bis heute ist Duphorn bei seiner Meinung geblieben: „Salz ist schlicht und einfach out.“ Die Kanadier seien schon vor 20 Jahren vom Salz abgekommen, auch die Amerikaner, die Niederländer und die Dänen würde n heute nicht mehr auf Salz als Wirtsgestein für ein Endlager setzen.

Duphorn war damals nicht der einzige Kritiker, auch die Professoren Memmert, Herrmann und Grimmel hatten zum Teil erhebliche Einwände gegen Gorleben und dessen alleinige Erkundung erhoben. Insbesondere Prof. Grimmel aus Hamburg hatte kritisierte, dass über den östlichen Teil des Salzstocks auf DDR-Gebiet zu wenig bekannt sein und dieser nicht erforscht werden könne. Doch Duphorn weiß auch hierzu etwas.  Von einem Geologen aus Schwerin habe er Akten über die Gas- und Ölbohrungen im damaligen DDR-Teil des Salzstockes.  In diesem Zusammenhang steht  auch die Explosion eines Bohrturmes bei Lenzen im Jahre 1969. Insgesamt soll es sich nach Duphorn mindestens um 100.000 bis 1 Million Kubikmeter Erdgas und Erdöl handeln, die für ein mögliches Atommülllager eine große Gefahr darstellten. Duphorn bezeichnete die Erdgasvorkommen als das akute Hauptproblem des Salzstocks und erklärte, dies werde das Projekt Gorleben zum Scheitern bringen. 

Gedächtnislücken

Nach Duphorn stand der Zeuge August Hanning dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort. Den ehemaligen Geheimdienstkoordinator kann man als Dauergast in Untersuchungsausschüssen bezeichnen, denn er hat offensichtlich überall seine Hände drin gehabt. Doch Hanning zeigt sich erwartungsgemäß vergesslich und unangreifbar. Angesprochen auf das dubiose Gespräch am 11.5.1983, bei dem er das Bundeskanzleramt vertreten hat (siehe PUA-Newsletter vom 2.7.), erklärt er: „Das ist völlig normal, dass es solche Gespräche im Vorfeld einer wichtigen Kabinettsentscheidung gibt“. Er war damals Referent im Bundeskanzleramt und zuständig für entsorgungspolitische Fragen. In der Anhörung sagt Hanning im Anschluss an Duphorn aus. Noch in der vergangenen Woche hatte Heinrich Illi (PTB-Mitarbeiter) sich erinnert, dass am 11.5.1983 in ein Gespräch unter Experten ungeladen plötzlich Vertreter der Bundesregierung platzten. Er hatte herausgehoben, dass es zudem höchst ungewöhnlichen gewesen sei, dass mit Hanning sogar ein Vertreter des Bundeskanzleramts dabei war. Doch das konkrete Erinnern fällt Hanning erwartungsgemäß schwer. Überhaupt kann er lediglich Auskunft geben über die allgemeinen Vorgänge innerhalb von Behörden und Ministerien und kann nirgends etwas Ungewöhnliches finden. Im Zweifelsfall ist er schlicht nicht zuständig gewesen.

Wolf von Osten betonte, dass das Bundeskanzleramt eigentlich immer, bis zur Ablösung durch die Kohlregierung im Herbst 1982, für die Untersuchung mehrerer Standorte als Atommülllager war. Doch Niedersachsen hat auf nur einem Erkundungsstandort bestanden, auch Hessen, Bayern und Baden-Württemberg hätten sofort ablehnend reagiert.  Ein politischer Druck rührte daher, dass die Entsorgungsgrundsätze den Weiterbetrieb  der Atomkraftwerke an die Entsorgung koppelten. Man habe deshalb versucht, „Gorleben mit allen Mitteln durchzudrücken“, so von Osten. Er beschreibt übrigens die damaligen Minister unter Helmut Schmidt, Gerhard Baum (BMI) und Andreas von Bülow (BMFT), eher atomkritisch, was nicht für alle ihre Staatssekretäre galt. Am Abqualifizieren des Wissenschaftlers Duphorn war 1982 zum Beispiel der damalige Staatssekretär im BMFT, Erwin Stahl, beteiligt. Nach Antritt der Regierung Helmut Kohl im Herbst 1982 wurden die Ministerien personell auf Atomkraft-Linie gebracht. An einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung hätte Duphorn damals durchaus weiter teilhaben wollen. Duphorn sagt heute: „Die Geschichte der Endlagerforschung weltweit zeigt, dass solche einseitigen Projekte wie Gorleben keine Chance haben.“ Und bringt seine Erkenntnisse auf den Punkt: „Für mich ist der Salzstock tot.“

Auf die Frage von Obfrau Dorothée Menzner, DIE LINKE, was es mit Erdöl- und Gas im Salzstock auf sich habe, antwortete Duphorn: "Dies halte ich für das akzte Hauptproblem Nummer eins."

Abseits

Während die Union sich im Laufe der Zeugenvernehmung am 8.Juli relativ ruhig verhielt, gestattete sich die Ausschussvorsitzende zu Beginn immerhin eine ganze Stunde Fragezeit. Per Grundgesetz und Untersuchungsausschussgesetz soll es so sein, dass sich die Handhabung des Ausschussvorsitz nach allgemeiner Parlamentarischer Praxis richten soll. Diese allgemeine Praxis besagt, dass bei Untersuchungsausschüssen im Interesse des Minderheitenschutzes der Vorsitz rotieren soll, nämlich zwischen den Oppositions- und den Regierungsfraktionen. Das ist allerdings eine Soll-, keine Mussbestimmung. Ob Vorstöße in diese Richtung Erfolg haben würden ist sehr zweifelhaft, schließlich gilt das Votum der Ausschussmehrheit, die neuerdings auch festlegt, was objektive Wahrheit und Tatsachen sind. Da drängt sich gleich das nächste Thema auf, nämlich

Tatsachen, Fakten und andere Subjektivitäten

Während der Befragung des Herrn Dr. von Osten wurde die Obfrau der LINKEN, Dorothée Menzner, von der Vorsitzenden Flachsbarth unterbrochen. Der Grund war eine Frage, die Dorothée Menzner an den Zeugen gestellt hat zu einem Sachverhalt, der nach Meinung der CDU-Frau längst geklärt worden ist: zur Frage nach der Erkundung nach Berg- oder Atomrecht. Frau Menzner durfte bei Anwesenheit der Öffentlichkeit keinen Protest  mehr dazu abgeben. Es drängte sich aber sehr der Eindruck auf, dass  die Union über Ausschussformalitäten versucht, gewisse subjektive Zeugenaussagen als Wahrheit festzuhalten und Gesagtes zu Fakten zu machen, wenn es dem entspricht, was man gerne hören wollte. Die Formalia, derer man sich hier bedient, steht im Untersuchungsausschussgesetz: es dürfen bei der Befragung keine Unwahrheiten bzw. Vorhaltungen benutzt werden.

Nach der gleichen Logik wäre den Oppositionsfraktionen jetzt zu empfehlen, jedesmal, wenn von der Eignung Gorlebens als Endlager die Rede ist, die Vorsitzende zu ermahnen, einzuschreiten. Denn der Zeuge Duphorn hat am 8.Juli deutlich erklärt, dass Gorleben ungeeignet ist. Und was gesagt wurde, ist nach Meinung der Koalition ja Fakt.

Personalien:

  • Prof. Dr. Klaus Duphorn, emeritierter Professor für Geologie der Universität Kiel, war von 1962-74 als Geologe beim Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung (LBEG) tätig und hat im Auftrag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) am Standorterkundungsprogramm 1979 bis 1981 mitgewirkt. Seine kritische Beurteilung der geologischen Verhältnisse in Gorleben führte dazu, dass sein Forschungsauftrag kurzfristig beendet wurde. Er hat auch danach diverse gutachterliche Stellungsnahmen zur Standorterkundung abgegeben und zu den geologischen Anforderungen und zur Eignung des Salzstocks Gorleben publiziert.
  • Dr. August Hanning war 1981 bis 1983 als Oberregierungsrat im Kanzleramt tätig und mit der Fertigung von Berichten über den Planungsstand der Endlagerung radioaktiver Abfälle befasst. Danach hat Hanning zahlreiche politische Ämter bekleidet, u.a. war er von 1998 bis 2005 Präsident desBundesnachrichtendienstes und von 2005 bis 2009 Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren.
  • Dr. Wolf von Osten war 1983 als Regierungsdirektor im Bundeskanzleramt tätig. Er war in den Prozess der Erstellung des Zwischenberichts der PTB zur weiteren Erkundung des Standorts Gorleben (1983) eingebunden.

      

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