Radioaktiver Sumpf in Gorleben
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- 21 September 2010
Bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll sind die Menschen in Gorleben 30 Jahre lang an der Nase herumgeführt worden, argumentiert Dorothée Menzner.
Wie wäre es, wenn jeder Befürworter der Nutzung von Kernenergie einen Castor-Behälter mit hochradioaktivem Material in den Garten gestellt bekäme? Das würde zwar die Endlagerfrage nicht lösen, den Betroffenen aber die Erfahrung vermitteln, dass der Atommüll ein nicht zu rechtfertigendes Erbe unserer Gesellschaft für zukünftige Generationen darstellt. Vielleicht verstünden die Atomernergie-Befürworter dann auch besser, warum bei der Suche nach Endlagern nur größtmögliche Sorgfalt der Maßstab sein kann.
Ergebnis politischer Opportunität
Der Untersuchungsausschuss Gorleben soll klären, ob die Entscheidungen zum Standort im Wendland nach fachlichen Kriterien und nach Stand von Wissenschaft und Technik gefällt wurden, oder, worauf viel hindeutet, nach politischer Opportunität und Durchsetzbarkeit. Verdacht und Beweise gibt es genug. Man untersuchte in den 1970er Jahren über 100 Salzstöcke. Dabei wurde nicht nur bewertet, ob sie geologisch geeignet sind, sondern auch, ob die örtliche Bevölkerung aufmüpfig ist oder ob man Entscheidungen leicht durchsetzen kann. Mittlerweile ist in Gorleben über und unter Tage viel mehr passiert, als zur reinen Erkundung notwendig gewesen wäre. Während wir im Untersuchungsausschuss Zeugen vernehmen und Aktenbände studieren, bestätigen sich viele Verdachtsmomente. Es tauchen auch immer mehr berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit auf, Gorleben weiter zu erkunden. »Dieser Salzstock ist tot«, fasste Professor Klaus Duphorn, der sich als Quartärgeologe seit mehr als 30 Jahren mit Gorleben wissenschaftlich beschäftigt, die aktuelle Debatte vor dem Untersuchungsausschuss zusammen, vor dem er als Zeuge aussagte.
Veränderte Gutachten
Im Jahr 1983 wurde unter politischer Einflussnahme der damaligen schwarz-gelben Koalition ein entscheidendes Gutachten verändert, indem Passagen weggelassen wurden, die die Forderung enthielten, man solle parallel andere Standorte erkunden. Professor Duphorn hat das bestätigt. Die aktuelle Koalition aus CDU/CSU und FDP sieht darin jedoch kein Problem. Sie fordert, die Arbeit des Ausschusses zu beenden, da ihrer Meinung nach alle Anschuldigungen unhaltbar seien. So legt sie sich regelmäßig auf ihre eigene Wahrheit zur Geschichte und Eignung Gorlebens fest und beruft sich dann auf die »demokratische« Ausschussmehrheit – ihre eigene. Die Ergebnisse der Untersuchung bestimmt die Koalition. Was während der Ermittlung »dunkel« scheint, kann im Abschlussbericht also durchaus »hell« interpretiert werden. Es ist klar, dass es dabei nicht um Wahrheit geht. Man will das Thema so schnell wie möglich unter den Teppich kehren.
Trotzdem macht der Untersuchungsausschuss Gorleben Sinn. Denn wir werden uns nicht beirren lassen von Anfeindungen, populistischen Zwischenrufen und unfairen Formalmanövern. Wir werden weiter akribisch im Gorlebensumpf herumstochern und berichten, was wir herausgefunden haben. Wir sind uns einig mit den Menschen im Wendland und der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Demokratie heißt eben nicht, zu lügen und die Menschen in der Region an der Nase herumzuführen, wie das seit 30 Jahren bei Gorleben passiert.
Dorothée Menzner ist energiepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE