Arroganz der Macht
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- 29 Oktober 2010
Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuss abgesagt
Dass die Abstimmung über die Laufzeitverlängerung der AKW keine Spaßveranstaltung werden würde, wusste jeder. Turbulenzen in der Bundestagsdebatte waren vorprogrammiert. Dass die Koalition aus CDU/CSU und FDP die Gunst der Stunde nutzen würde, um kurzerhand Sitzung und Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss Gorleben abzusagen, ahnte allerdings niemand.
So geschehen am gestrigen Donnerstag. Eigentlich sollte ein Zeuge der Opposition vernommen werden: Heinz Nickel, ein ehemaliger Mitarbeiter der ruhmreichen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, der allerdings dort aber eine kritische Haltung besitzt und daraus auch nie ein Hehl gemacht hat. Der zweite, von der Koalition benannte Zeuge, Werner Jaritz (ebenfalls BGR), hatte zuvor bereits aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.
Doch dann wurde Nickel, schon im Auto sitzend, in aller Herrgottsfrühe zur Umkehr veranlasst, weil man, so die Begründung der Vorsitzenden, die wegen der vielen namentlichen Abstimmungen zur Laufzeitverlängerung vermutlich längere Wartezeit dem Zeugen nicht zumuten wollte. Dass eine Ausschussvorsitzende ohne Beschluss und ohne die Zustimmung der Oppositionsfraktionen eine Sitzung mit Zeugenvernehmung einfach absagt, ist ein einmaliger Vorgang in der Parlamentsgeschichte.
Es ist ein Beweis, wie CDU/CSU und FDP unter Mitwirkung einer der eigenen Koalition zugehörigen Ausschussvorsitzenden unter Missachtung der demokratischen Regeln agieren wie die Elefanten im Porzellanladen. Es ist peinlich, wie die Koalition mit einem Gremium umspringt, das der Minderheit im Parlament zu ihrem Recht verhelfen sollte. Insbesondere das Team Obmann Grindel und Vorsitzende Flachsbarth (beide CDU) glauben sich immer wieder arrogant über grundsätzliche Vereinbarungen hinwegsetzen zu können.
„Es ist bedauerlich, dass die Ausschussvorsitzende Maria Flachsbarth dem unflätigen Dazwischenreden von CDU-Obmann Reinhard Grindel offensichtlich nicht Einhalt gebieten kann. Sie macht sich zunehmend zu dessen Marionette“, sagte dazu Kornelia Möller, Mitglied der Fraktion DIE LINKE im Untersuchungsausschuss Gorleben im Anschluss an eine kurzfristig einberufene Sondersitzung des Untersuchungsausschusses am Freitag. „Reinhard Grindel macht durch sein undemokratisches Verhalten und seine schlechten Manieren im Untersuchungsausschuss eine Zusammenarbeit zunehmend unmöglich“, so Möller weiter.
Die Vorsitzende Flachsbarth hatte am Freitag zunächst eingeräumt, Fehler gemacht zu haben. Sie habe am Donnerstag Morgen „unrechtmäßig entschieden“, sagte sie am Freitag in der Sondersitzung des Untersuchungsausschusses. Man habe mit einer noch am Donnerstag im Nachhinein kurzfristig einberufenen Beratungssitzung um die Mittagszeit einen formellen Beschluss herbeigeführt und damit den „Fehler heilen“ wollen.
„Maria Flachsbarth ist offensichtlich mit dem Ausschussvorsitz überfordert. Anstatt sich mit ihrem Stellvertreter abzusprechen und ihn mit einzubeziehen, wie das in anderen Ausschüssen üblich ist, beansprucht sie permanent die Alleinvertretung. Nicht nur, weil durch ein Abwechseln der Vorsitzenden mit ihrem Stellvertreter von der Opposition mehr Objektivität in die Debatte käme, wäre sie gut beraten, sich zukünftig nicht nur auf sich selbst zu verlassen. Ihr Agieren ist dem unabhängigen Status einer Vorsitzenden abträglich,“ kommentierte Dorothée Menzner, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Untersuchungsausschuss die Absage der gestrigen Zeugenvernehmung sowie den Verlauf der heutigen Sondersitzung.
Anstatt die Chance der kurzfristig auf Antrag der Opposition einberufenen Sondersitzung am Freitag für eine Aussprache zu nutzen, wurde diese nicht zugelassen. Dennoch referierten sowohl die Vorsitzende Flachsbarth ausführlich das Prozedere vom Vortag und ließ zudem an falscher Stelle Äußerungen Grindels zum Thema zu. Allein die Kritik der Opposition wurde nicht angehört.