„Wir brauchen Konzepte, die etwas bewegen“

Dagmar EnkelmannGespräch mit Dr. Dagmar Enkelmann, der Vorstandsvorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zu den Ergebnissen der sozial-ökologischen Konferenz in Essen
Zur Konferenz „Genug für alle – sozial.öko.logisch“, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zusammen mit der Fraktion DIE LINKE Ende Januar in der Zeche Zollverein in Essen veranstaltete, kamen mehr als 400  Aktivisten, ökologisch Engagierte oder einfach Umweltinteressierte.

 

Hat die Konferenz einen Nerv getroffen?

Den Nerv der Zeit hat sie getroffen – Ja! Ein „Aber“ hänge ich aber dennoch daran. Vor vier Jahren hatten wir im Hause unserer Stiftung bereits eine ähnliche Konferenz gemacht und schon zu der Zeit gespürt, dass wir an Themen arbeiten, die viele der Menschen bewegen, die sich im weitesten Sinne als Linke verstehen und die im Umweltbereich oder in sozialen Bewegungen tätig sind. Schon zu der Zeit merkten wir, dass wir mit unserer theoretisch-konzeptionellen Aufarbeitung dieser Fragen am politischen Puls „dran“ sind und es sich lohnt, über gesellschaftliche Alternativen zu diskutieren. Leider haben wir dann viel zu viel Zeit bis zur Konferenz jetzt in Essen verstreichen lassen.

Dennoch war Essen nicht eine einfache Fortsetzung. Man hatte bei den Debatten in der Zeche Zollverein schon den Eindruck, dass die Linke sich endlich, wie ein Panel hieß, an die wirklich „harten Brocken“ herantraut.

Einen inhaltlichen Fortschritt brachten die Essener Debatten auf alle Fälle. Denen, die das vorbereitet haben, kann man einen großen Dank dafür aussprechen, dass es gelang, die Konferenz in einer solchen  Breite aufzustellen -zum einen, was die Themen anging, zum anderen, was die Teilnehmenden betrifft. Nur ein kleinerer Teil kam aus dem linken Spektrum im engeren Sinne, der größere aus Bewegungen, die sich in ganz anderen Zusammenhängen dem Thema genähert haben. Und dass es tatsächlich gelang, diese Menschen zusammenzubringen, gemeinsam zu diskutieren und zu Ergebnissen zu kommen – das war ein großer Vorzug dieser Konferenz. Er  zeigt, dass wir in der Debatte weitergekommen sind.

Als Politikerin befassen Sie sich schon gut 25 Jahre mit dem Themen Soziales und Umwelt. Gab es aus Ihrer Sicht neue Erkenntnisse aus den Konferenzdebatten?

Zunächst habe ich mich sehr gefreut, dass Professor Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung da gewesen ist, um in seinem Vortrag ganz aktuelle Ergebnisse der Klimaforschung vorzustellen, und dass er kein Hemmungen hatte, zu einer Konferenz zu kommen, die ein Stück weit linksdominiert war. Ich wünsche mir sehr, dass wir weiter mit ihm zusammenarbeiten.
Gut hat mir auch der multimediale Einstieg mit den Aktivistinnen und Aktivisten gefallen. So entstand eine Verbindung zwischen der strategisch-konzeptionellen Debatte um die Frage einer sozial-ökologischen Transformation, wie diese aussehen könnte und welche Bereiche der Gesellschaft sie erfasst,  zu den Akteuren, die vor Ort aktiv sind, Widerstand leisten und die zeigen, wenn man sich „bewegt“, kann man auch etwas verändern.

In einer Podiumsdebatte forderten Sie klar und eindeutig, dass „wir“ endlich handeln sollten. Damit sind ja sicher nicht nur spektakuläre Aktionen wie Tagebaubesetzungen gemeint?

Damit ist eine ganze Bandbreite des Handelns gemeint, darunter auch, seine eigene Lebensweise zu hinterfragen. Dabei darf es aber nicht bleiben, denn die Regierenden wären schon damit zufrieden, wenn nur der Einzelne sich ändert.
Handeln fängt zum Beispiel auf der kommunalpolitischen Ebene an. In meiner Heimatstadt Bernau bringen wir jetzt ein städtisches Energiekonzept auf den Weg. Die Stadt will endlich stärker in Richtung regenerative Energie gehen, die Stadtwerke engagieren sich dafür schon, nun sollen die Wohnungsgesellschaften dazukommen. Solche Konzepte, die etwas bewegen, brauchen wir auf allen Ebenen, auch parlamentarisch.
Ein Widerstand, der zivilen Ungehorsam deutlich macht, bleibt aber weiter notwendig. Die Regierenden schließen bei den inzwischen häufigen Gipfeltreffen zum Beispiel zum Klimaschutz viele Verträge ab – es gilt aber, die verbindliche Einhaltung dieser Verträge einzufordern. Dazu reicht die parlamentarische Ebene offenbar nicht aus, auch wenn ich mir wünsche, dass die Linke dort deutlich stärker und auch radikaler agiert.
Zum Handeln gehören  für mich ebenso „best-practice“-Beispiele wie der Widerstand gegen eine Politik, die sich erst durch die Macht des Faktischen in eine andere Richtung bewegt, wie das beim Atomausstieg der Fall gewesen ist. Auch diesen Teil des Handelns brauchen wir und sollten als Stiftung diejenigen, die da aktiv sind, unterstützen.

Hans Joachim Schellnhuber listete in seinem Vortrag in Essen die drei Megatrends des 21. Jahrhunderts auf: die Digitalisierung, den Klimawandel – an erster Stelle nannte er jedoch die wachsende Ungleichheit auf der Welt. Damit sprach er vielen im Raum aus dem Herzen. Zeichnen sich für eine sozialökologische Transformation nicht auch neue Möglichkeiten des Zusammengehens ab?

Dass er das so explizit herausstellte, hat mir gut gefallen. Wir sagen ja oft, Soziales und Ökologisches gehören zusammen, es bleibt aber oft eine Worthülse. Die Konferenz zeigte konkret, welche Fragen sich tatsächlich andocken lassen an die sozialökologische Transformation – Fragen von Eigentum, von Wirtschaft, von Stadtentwicklung und Regionalplanung, von Demokratie, Steuerpolitik und andere mehr. Diese konkreten Zusammenhänge herzustellen finde ich wichtiger als das Sozialökologische wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Noch zieht es sich nicht wie ein rotgrüner Faden durch unsere Politik und unsere Programmatik. Da aber müssen wir hinkommen. Dazu hat die Konferenz einen wichtigen Beitrag geleistet, wir müssen aber weiter dran arbeiten.

Zum Abschluss sagten Sie in Essen, dass die Linke nicht wieder vier Jahre warten sollte, aber es muss auch nicht gleich wieder eine Konferenz sein. Wie kann der Impuls aufgegriffen und fortgeführt werden?

Als Stiftung sind wir erstens dabei, den Gesprächskreis zur sozialökologischen Transformation wiederzubeleben. Der hat ein wenig im Dornröschenschlaf gelegen. Das Zweite betrifft unsere Themenachse zur sozialökologischen Transformation. Stärker als bisher wollen wir hier externen Sachverstand einbinden.
Das kann ganz unterschiedlich geschehen. In den heutigen Zeiten moderner Kommunikation kann man viele Formen nutzen, das muss nicht zwangsläufig eine Konferenz sein. Ihr Aufwand ist wirklich hoch.
Mitgedacht werden muss auch – und da hat die RLS eine ganz wichtige Aufgabe – dass es außerhalb der Stiftung Menschen gibt, die das schon leben, worüber wir hier forschen. Die Verbindung zu diesen Initiativen und Projekten herzustellen, scheint mir besonders wichtig zu sein.
Natürlich werden wir auch weiterhin die Weltklimagipfel aktiv begleiten. Der nächste ist im November in Bonn. Da werden wir zusammen mit der Landesstiftung NRW vor Ort präsent sein.

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