Bundesverwaltungsgerichts-Urteil: Kommen nun Diesel-Fahrverbote?
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- 22 Februar 2018
Hintergrundinformationen zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge
Luftreinhaltung – Grenzwerte für Stickoxide
Die in der Luftreinhalterichtlinie von 2008 vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxide (NOx) müssen seit 2010 in der EU eingehalten werden. Es gibt einen Stundenwert von 200 µg / m³, der an maximal 18 Tagen im Jahr überschritten werden darf sowie einen Jahresmittelwert von 40 µg / m³ Luft, die auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation beruhen. Das Umweltbundesamt (UBA) sammelt die Werte Messstationen und gibt die Messwerte im Internet sowie in einem Jahresbericht bekannt. Probleme bereitet vor allem die Einhaltung des Jahresmittelwertes. Für das Jahr 2017 gibt das Umweltbundesamt an, dass in 70 Städten sowie flächendeckend an fast der Hälfte (46 Prozent) der verkehrsnahen Messstationen die Grenzwerte überschritten wurden.
Gesundheitliche Wirkung von Stickoxiden
Stickoxid ist ein Reizgas, welches tief in die Lunge eindringt, dort Entzündungsreaktionen auslöst und die Lunge schädigt. Neben der Reizung der Atemwege führt eine dauerhafte Belastung mit Stickoxiden zu Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Anteil von Dieselfahrzeugen an den Stickoxidemissionen
Diesel-Pkw sind nach Angaben des Umweltbundesamtes die Hauptquelle für Stickoxid in den Städten. Der Verkehrsbereich trägt demnach zu rund 60 Prozent zur Stickstoffdioxid (NO2)-Belastung bei. Daran sind die Diesel-Pkw mit 72,5 Prozent beteiligt. Andere Fahrzeuge haben einen wesentlich geringeren Anteil. Busse z. B. machen im Bundesdurchschnitt nur vier Prozent der Emissionen des städtischen Verkehrs aus. Auch Lkw- und Lieferverkehr sind mit rund 19 Prozent deutlich weniger an der Luftbelastung beteiligt als die Diesel-Pkw. Die lokale Industrie ist für etwa drei Prozent der NO2-Belastung in deutschen Städten verantwortlich. Die privaten Heizungen einer Stadt tragen zu rund 7 Prozent zur NO2-Belastung bei.
Welche Rolle spielt dabei der Dieselskandal?
Es war erwartet worden, dass durch die schärferen NOx-Grenzwerte für Diesel-Pkw von Euro 5 (180 mg/km) und Euro 6 (80 mg/km) die NOx-Belastung in den Städten sinken würde. Dies blieb allerdings aus, weil die Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand diese höheren Anforderungen erfüllten, im realen Fahrbetrieb wurden die Anlagen mit Abschalteinrichtungen heruntergeregelt oder ganz ausgeschaltet. Die erwartete Verminderung der NOx-Emissionen durch die Modernisierung der Dieselflotte blieb aus.
Worum geht es in dem Prozess beim Bundesverwaltungsgericht?
Das Gericht verhandelt über von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits erwirkte Urteile bezüglich der Luftreinhaltepläne in Düsseldorf und Stuttgart. Diese Urteile konnten von der DUH nur erwirkt werden, weil die in den Luftreinhalteplänen vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, um den Jahresmittelwert für NOx einzuhalten.
Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13.9.2016 (VG Düsseldorf, 3 K 7695/15) wurde das Land Nordrhein-Westfalen verpflichtet, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zu schnellstmöglichen Einhaltung des NOx-Jahresgrenzwertes enthält. Das Land sei verpflichtet, weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Dieselfahrzeugen zu prüfen. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge seien nicht von vorneherein ausgeschlossen.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart vom 26.7.2017 (VG Stuttgart, 13 K 5412/15) wurde das Land Baden-Württemberg verpflichtet, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der NOx-Grenzwerte enthält. Das VG Stuttgart ist in dem Urteil konkreter, indem es feststellt, dass ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Fahrzeuge mit Ottomotor unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 sowie für alle Fahrzeuge mit Dieselmotor unterhalb von Euro 6 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen sei.
Gegen mögliche Verkehrsverbote richten sich die Sprungrevisionen der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die am 22.2.2018 beim Bundesverwaltungsgericht verhandelt werden. Die beiden Bundesländer halten Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge auf der Grundlage des Rechts für unzulässig.
Welche Bedeutung hätte ein Urteil für Fahrverbote?
Wenn das Bundesverwaltungsgericht Fahrverboten als zulässig erklärt, hat dies eine deutschlandweite Signalwirkung. Das Bundesverwaltungsgericht wird jedoch selbst keine Fahrverbote anordnen. Fahrverbote sind Einzelfall-Entscheidungen und können von Stadt zu Stadt unterschiedlich ausfallen. Sie können zeitlich auf bestimmte Strecken und Stadtzonen begrenzt sein, in denen die Grenzwerte am stärksten überschritten werden.
Kritik und Position der Fraktion DIE LINKE
Dass es überhaupt zu diesen Verfahren in Düsseldorf und Stuttgart sowie beim Bundesverwaltungsgericht gekommen ist, beruht auf dem langjährigen Versagen der Bundesregierung. Die zugrundeliegende europäische Luftreinhalterichtlinie wurde 2008 beschlossen, die Grenzwert sind seit 2010 einzuhalten, wegen Nichteinhaltung wurde von der EU-Kommission bereits 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und erst am 28. November 2017 hat die Bundesregierung ihr „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ vorgelegt, welches aber weiterhin keine kurzfristig wirksamen Maßnahmen enthält.
Die wirksamste Einzelmaßnahme wäre die Nachrüstung von Diesel-Pkw mit SCR-Systemen (Selektive katalytische Reduktion unter Einsatz von Harnstoff (AdBlue)). Dies wurde bisher von der Bundesregierung abgelehnt. Sie setzt bisher allein auf die von der Autoindustrie durchgeführten Software-Updates.
Der ADAC hat SCR-Nachrüstsysteme getestet und eine NOx-Minderung von 70 Prozent gemessen. Die Kosten liegen derzeit bei 1.400 bis 3.300 Euro pro Fahrzeug. Sollte es zu einer Nachrüstung in großem Stil kommen, dürften diese Kosten noch sinken. Bei entsprechenden Mengeneffekten können die Kosten pro Fahrzeug nach Einschätzung der ADAC-Experten auf etwa 1.000 Euro gesenkt werden.
Wir fordern die Nachrüstung aller Dieselautos mit den Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 auf Kosten der Autoindustrie, die ihre Versprechen nicht eingehalten und die Fahrzeughalter getäuscht hat.
DIE LINKE im Bundestag kämpft für eine sozial-ökologische Verkehrswende. Mehr Fuß-, Rad- und öffentlicher Verkehr und weniger Autos auf den Straßen bedeutet auch weniger Schadstoffe in der Luft, attraktivere Städte mit gesunden Umweltbedingungen.