Pkw-Maut - Lukrative Rendite für private Investoren
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- 20 August 2010
Sollte in Deutschland eine Pkw-Maut eingeführt werden, so ist eine Autobahn-Vignette zu erwarten. Eine solche Pauschale wäre sozial ungerecht und das zu erwartende Ausweichen auf Bundesstraßen ein Sicherheitsrisiko und eine Mehrbelastung an den Ortsdurchfahrten. Könnte nun das niederländische Modell ein Vorbild sein? Wenn dort alles so laufen wird wie geplant, kann demnächst für jede Autofahrt, abhängig von der benutzten Straße (vom Stadtverkehr bis zur Autobahn), der Zeit (Rushhour oder Wochenende) und dem Verbrauch des Autos, eine Gebühr erhoben werden. Dies soll durch die verkehrslenkende Wirkung zu Stau- und Unfallvermeidung führen und zudem zu Anreizen, das Auto öfter stehen zu lassen.
Klingt gut. Und nun zurück zur Realität: Wer könnte und würde für den täglichen Arbeitsweg in der Rushhour tatsächlich auf das Auto verzichten, weil einige Cent mehr zu entrichten sind? Wohl kaum jemand. Die für die komplizierte Abrechnung notwendigen Daten sollen über ein GPS-Gerät erfasst und an eine Zentrale gefunkt werden. Die Kosten für den Einbau übernimmt der Staat. Das bringt gleich mehrere Risiken mit sich: Gerätehersteller und wahrscheinlich auch private Datenerfassungs- und verarbeitungsfirmen verdienen sich eine goldene Nase. Wie aus den bisher geheimen Verträgen von Toll Collect hervorgeht, genehmigte sich dieses Lkw-Maut-Konsortium eine garantierte Rendite von 1,117 Milliarden Euro - bemessen am Umsatz sind das 19 Prozent! Dazu kommen dann noch die hohen Betriebskosten; in den öffentlichen Kassen landet nur ein Bruchteil der Einnahmen. Und wer garantiert dafür, dass aus den erfassten Daten keine Bewegungsprofile erstellt werden oder das System zur Überwachung genutzt wird?
Die Maut ermöglicht zudem den großflächigen Einstieg in die private Straßenfinanzierung. In einer Öffentlich-privaten Partnerschaft übernimmt ein privates Unternehmen den Bau und/oder Unterhalt einer Straße und kassiert dafür die Mauteinnahmen. Da dieses Unternehmen aber auf Profitmaximierung aus ist, wird an der Instandhaltung und damit auch an Sicherheit gespart, während weitere Teile der Maut in private Taschen fließen. Gut möglich, dass Banken aus Investitionskrediten und zu erwartenden Mauteinnahmen Zertifikate basteln, die Teil der nächsten Blase auf den Finanzmärkten werden.
Dieses technisch hoch aufgerüstete System verspricht also Probleme beim Datenschutz sowie lukrative Renditemöglichkeiten für private Investoren und ist weder sozial noch ökologisch zukunftsweisend. Bleibt allenfalls ein Anreiz, auf Autofahrten zu verzichten. Dafür gibt es aber eine ganz einfache, erprobte Lösung, die sogar den Spritverbrauch der Fahrzeuge berücksichtigt: die Mineralölsteuer. Kritiker werden einwenden, dass sich diese durch »Tanktourismus« umgehen lässt. Aber erstens wird dieser Anteil nicht größer sein, als er bei Missbrauch der GPS-Maut zu erwarten wäre, zweitens werden bei der GPS-Maut die ausländischen Pkw ohne Gerät auch nicht berücksichtigt und drittens ist dies vielmehr ein Argument, endlich zu einer Vereinheitlichung des Mineralölsteuersatzes in der EU zu kommen.
Werden wir endlich grundsätzlich: Das Mautsystem, welcher Art auch immer, wird von seinen Befürwortern für das Verursacherprinzip gelobt. Dieses Prinzip wird aber als Einbahnstraße verstanden: Die Gelder, die den Nutzern der Straße abgenommen werden, müssen eins zu eins in den Straßenbau und -unterhalt fließen. So argumentierte Patrick Döring (FDP) in der Debatte zur Regierungserklärung am 11. November, das sei »eine Frage der Fairness«. Über die Kosten des Klimawandels durch den Autoverkehr, über die gesundheitlichen Kosten durch Abgase und Lärm, über die Behandlungskosten von Verkehrsverletzten und über Verkehrstote wird wenig geredet.
Das Verursacherprinzip ist ökologisch richtig und wichtig. Wenn etwas ökologische und soziale Kosten verursacht, dürfen Steuern und Abgaben aber nicht in ein Weiterso fließen. Die heutige Verkehrsplanung orientiert sich an Verkehrsprognosen, die einfach die gegenwärtige Entwicklung in die Zukunft fortschreiben, ohne Ölpreissteigerungen, wandelbares Mobilitätsverhalten,
geschweige denn politische Ziele wie Klimaschutz und lebenswerte Städte zu berücksichtigen. Damit wird der Weg in Klimakrise und sinkende Lebensqualität betoniert. Alle Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen in Industrie und Haushalten werden zunichte gemacht vom Business-as-usual im Verkehrsbereich. In den 27 Mitgliedstaaten der EU gab es zwar nach offiziellen
Statistiken zwischen 1990 und 2005 einen Rückgang der Kohlendioxid-Emissionen um 5,7 Prozent, im Transportsektor aber eine Steigerung von 33 Prozent!
Gleichzeitig sanken die Emissionen der Eisenbahn bei gleichbleibender Leistung um 47 Prozent!
Eine sozial-ökologische Verkehrswende ist dringend erforderlich. Und die erfordert den großen Blick auf alle Verkehrsträger, einen Gestaltungsspielraum, der nicht durch Zweckbindung der Mittel eingeschränkt werden darf, und natürlich auch Gestaltungswillen. Die schwarz-gelbe Koalition aber läuft den Prognosen hinterher und singt das Lied der lautesten Lobbygruppen.
Die Linksfraktion arbeitet an Konzepten einer umfangreichen Verkehrswende. Beim Güterverkehr geht es um Verkehrsvermeidung und um die Verlagerung auf
die Schiene. Auch im Personenverkehr könnten viele Wege durch eine entsprechende Stadtentwicklung vermieden werden. Die Mobilitätsbedürfnisse der
Menschen müssen im Rahmen des ökologisch Vertretbaren für alle befriedigt werden - vor allem durch mehr öffentlichen und mehr Schienenverkehr,
durch Barrierefreiheit und Sozialtickets. All das würde zu deutlich mehr Lebensqualität führen.
Debattenbeitrag im Neuen Deutschland,
11. Dezember 2009 von Sabine Leidig