Scheinheiliger Kompromiss im Abfallrecht
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- 18 November 2011
Die Diskussionen um die Neufassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes währten lang und heftig. Denn die Entwurfsfassungen spielten das Geschäft mit den lukrativen Wertstoffen eindeutig den privaten Entsorgern zu. Für die kommunalen Betriebe bliebe die kostenintensive Entsorgung des Restmülls. Da der Kostenausgleich durch die Wertstoffeinnahmen entfiele, führt das unweigerlich zu steigenden Müllgebühren. Weil diese Priviligierung der privaten Entsorger viel kommunalen Staub aufgewirbelt hat, war die Bundesregierung bemüßigt einen Kompromiss zu finden. Am 28.10.2011 wurde dieser, zuvor zwischen Staatssekretär Becker (BMU), den Vertretern des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des Verbandes kommunaler Unternehmen ausgehandelte „Kompromiss“, mit der Regierungsmehrheit im Bundestag in der letzten Lesung des Kreislaufwirtschaftes-Gesetztes beschlossen.
Leider ergeben sich daraus keinerlei Verbesserungen für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
Vielmehr werden durch neue unbestimmte Rechtsbegriffe zusätzliche Unsicherheiten geschaffen. Der in § 17 (3) eingeführte „Gleichwertigkeitsgrundsatz“ ermöglicht gewerbliche Sammlung bei besserer Serviceleistung (z. B. durch ein Holsystem), egal ob sie den Bestand des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gefährdet oder Gebührenerhöhungen erfordert. Die Gehälter und Löhne der Angestellten werden in dieser „Gleichwertigkeitsklausel“ nicht berücksichtigt. So werden tariflich bezahlte Angestellte gegen Leiharbeiter privater Firmen ausgespielt. Auf diese Weise gefördertes Lohndumping verschafft Konzernen, wie Veolia und ALBA Preisvorteile und dadurch eine erneute Zugriffsmöglichkeit auf den Abfall.
Die „Gleichwertigkeitsklausel“ führt zu Rechtsunsicherheiten, voraussichtlich zahlreichen Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang und vermutlich trotzdem zur Rosinenpickerei gewerblicher Sammler.
Die Definition der „Gewerblichen Sammlung“ in § 3 (18) eröffnet privaten Sammlern die Möglichkeit sich auch in bestehende Entsorgungsstrukturen zwischen kommunalen Entsorgern und privaten Haushalten zu drängen.
Ein gravierender fachlicher Mangel am Gesetzentwurf betrifft Nicht-Umsetzung der in der EU-Richtlinie vorgeschriebenen fünfstufigen Abfallhierarchie. Darin steht die Abfallvermeidung an allererster Stelle. Dann folgt die Wiederverwendung vor der stofflichen Verwendung. Erst dann kommen die Verbrennung und die Entsorgung des Abfalls. Die Bundesregierung sieht in ihrem Gesetzentwurf die Gleichstellung der Stufen zwei bis vier vor und rechtfertigt das in Brüssel mit dem Verlangen der kommunalen Entsorger, die ihre Müllverbrennungsanlagen auslasten wollen. Um dem entgegen zu wirken, schlagen die deutschen Regierungsvertreter dann intrigant die Privatisierung der Abfallwirtschaft vor und sichern dabei ganz selbstlos die Profitinteressen der gewerblichen Entsorger.
Weiterhin enthält das Gesetz keine Müllvermeidungsziele, wodurch die Benennung der Müllvermeidung als Stufe Eins der Abfallhierarchie zur Farce wird.
Auch das in der EU-Abfallrahmenrichtlinie vorgeschriebene Näheprinzip, welches die Abfallbehandlung in der nächstgelegenen Anlage fordert, ist nicht umgesetzt. Dadurch wird der unnötigen Verbringung von Abfällen und der damit einhergehenden Umweltbelastung nichts entgegengesetzt. Der oft betonte Beitrag der Abfallwirtschaft zum Klimaschutz ist im Gesetz ebenfalls nicht untermauert.
Die LINKE. im Bundestag will ein anderes Abfall- und Kreislaufwirtschaftssystem. Deshalb hat DIE LINKE einen Entschließungsantrag zu diesem Gesetz in den Bundestag eingebracht. Darin wird ein System gefordert, das eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen den Lebensverhältnissen der Bevölkerung, den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und den Erfordernissen der Umwelt ermöglicht.
Das Gesetz ist zustimmungspflichtig und wird am 25.11.2011 im Bundesrat verhandelt. Ein Einlenken und eine Änderung des Gesetzentwurfes ist also noch möglich. Wichtig für die kommunalen Belange ist die Abschaffung des „Gleichwertigkeitsgrundsatzes“ und die Änderung der Definition „Gewerblicher Sammlung“. Die vom Bundesverwaltungsgericht unter Einbeziehung europarechtlicher Regelungen mehrfach bestätigte Definition der gewerblichen Sammlung im bestehenden Gesetz muss weiterhin Gültigkeit haben, um ein Mindestmaß an Schutz von bestehenden öffentlich-rechtlicher Entsorgern zu gewährleisten.
Die LINKE-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen hat eine Erklärung abgegeben, die die kommunalen Kritikpunkte des Gesetzentwurfes benennt und die ihre Landesregierung auffordert sich für die kommunalen Belange einzusetzen.
Lest mehr zum Thema in der Plenarrede "Müllkrieg mit faulem Kompromiss" von MdB Ralph Lenkert, Mitglied des Umweltausschussenen des Bundestages.