Fairhandel statt Freihandel
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- 16 Januar 2015
Land- und Lebensmittelwirtschaft stehen unter besonderer Beobachtung, gerade im Januar während der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Dort dreht sich alles um die Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz. Aussteller aus aller Welt präsentieren ihre Produkte. Seit einigen Jahren ist die Grüne Woche aber auch ein guter Platz zur Diskussion über heutige und künftige Agrarpolitik. Dazu gibt es im Umfeld eine ganze Reihe von Veranstaltungen, von Fachforen über Informationsveranstaltungen bis hin zu Demonstrationen wie die jährlich stattfindende Demonstration »Wir haben es satt«.
Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion, erklärt im Interview, weshalb die Fraktion die Demonstration auch in diesem Jahr wieder unterstützt.
Am 17. Januar werden wie seit einigen Jahren wieder Tausende in Berlin auf die Straße gehen und rufen „Wir haben es satt“. Der Bauernverband kritisiert die Demo, DIE LINKE ruft dazu auf. Sie, Frau Dr. Tackmann, sind als agrarpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag seit Jahren dabei. Warum engagiert sich Ihre Fraktion für die Protestkundgebung zu Beginn der Grünen Woche?
Dr. Kirsten Tackmann: Wir unterstützen die Forderung nach Veränderung. Wem die Landwirtschaft wichtig ist, kann nicht wollen, dass alles bleibt wie es ist. Auch wenn der anprangernde Gestus manchmal vielleicht überzogen scheint, ist die Verweigerung der Debatte genauso falsch. Aber wir schauen uns jedes Jahr den konkreten Aufruf an, bevor wir über die Unterstützung entscheiden. Das ist unser Beitrag einer kritischen Solidarität. Dieses Jahr ist der Aufruf aber völlig unstrittig. Auch wir wollen Fairhandel statt Freihandel, eine Tierhaltung ohne Antibiotika-Missbrauch, die Förderung regionaler Futtermittelerzeugung, ein weltweites Recht auf Nahrung, sowohl gesundes bezahlbares Essen für alle als auch faire Erzeugerpreise und Marktregeln für die Bauern, die Freiheit für die Saatgutvielfalt, eine Bienen- und umweltfreundliche Landwirtschaft sowie den Zugang zu Boden weltweit für alle.
Auch der Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt hat sich jetzt, vor der IGW, in einem Interview zu aktuellen agrarpolitischen Problemen geäußert. In dem Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, gegen das sich in diesem Jahr die „Wir haben es satt“-Proteste vor allem richten, sieht Minister Schmidt neue Absatzperspektiven und mahnt, man solle dabei nicht nur Fleisch- und Wurstwaren in Betracht ziehen. Was sagen Sie dazu?
Dr. Kirsten Tackmann: Natürlich kann man nichts dagegen haben, wenn zum Beispiel Ladegeräte oder Elektrokabel überall in der Welt passen. Hier bringt eine Standardisierung allen Erleichterungen, ob Herstellern oder Nutzern. Und Ressourcen werden auch noch gespart, wenn man nicht immer neu kaufen muss. Aber gerade im sensiblen Bereich der Land- und Lebensmittelwirtschaft geht es aus unserer Sicht um die Sicherung der Gemeinwohlinteressen, also von Mensch und Natur, gegenüber Profitinteressen. Deshalb ist es sinnvoller, die Produktion auf die regionale Versorgung und Vermarktung auszurichten statt die Betriebe den Dumpingbedingungen eines Weltagrarmarktes auszuliefern.
Auf die Frage nach der Massentierhaltung stellt Minister Schmidt die Gegenfrage, was dies sei und lehnt eine pauschale Ablehnung als zu undifferenziert ab. DIE LINKE fordert eine flächengebundene und tiergerechte Tierhaltung. Andere fordern einfach die Abschaffung der Massentierhaltung. Wo ist hier der Unterschied?
Dr. Kirsten Tackmann: DIE LINKE hält den Begriff „Massentierhaltung“ auch für ungeeignet, weil wir über Qualität diskutieren müssen und nicht nur über Quantität. Für uns stehen die Art der Haltung und auch Standortgerechtigkeit im Vordergrund. Deshalb teilen wir ausdrücklich nicht die Position des Ministers, über die Größenordnungen in der Tierhaltung gar nicht zu diskutieren. Im Gegenteil! Wir wollen jeweils so viel Tierhaltung, wie ein Standort und eine Region vertragen. Wir wollen eben nicht die Gülle in Ostdeutschland entsorgen, um das Grundwasser in Niedersachsen zu schonen, wie Minister Schmidt, sondern Tierhaltung soll wieder in die Landbewirtschaftung integriert werden, landesweit. Dann wird auch nur so viel Vieh gehalten, wie örtlich verantwortbar ist.
Boden ist knapp und die steigenden Bodenpreise werden für die Landwirte immer mehr zum Problem. Die Pachten steigen und beim Kauf von landwirtschaftlichen Flächen haben die Bauern kaum noch eine Chance, sie bezahlen zu können. Der Bundeslandwirtschaftsminister meint, es sei schon viel gewonnen, wenn nicht so viel Landwirtschaftsfläche durch Bauvorhaben verloren ginge. Was muss aus Sicht der LINKEN geschehen, um dem Problem zu begegnen?
Dr. Kirsten Tackmann: Gerade im UN-Jahr des Bodens sagt DIE LINKE ganz klar: Boden ist keine Ware, sondern eine natürliche Ressource. Deshalb gehört der Boden in viele, möglichst landwirtschaftliche Hände, also kein Bauernland für Spekulanten. Das muss der Gesetzgeber sichern. Bodenkauf- und Pachtpreise müssen mit landwirtschaftlicher Arbeit bezahlbar bleiben. Außerdem sind wir gegen die Privatisierung von öffentlichem Bodeneigentum. Das gilt auch für die verbliebenen BVVG-Flächen, die im öffentlichen Eigentum bleiben und langfristig verpachtet werden sollen. Außerdem wollen wir ein Erhaltungsgebot für Äcker, vergleichbar mit dem bestehenden für Wälder. Auch hier muss der Minister endlich handeln, statt nur Themen zu benennen. Nicht zuletzt muss auch mehr zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit getan werden. Es gibt also viel zu tun für unseren Boden.
Ihr Fraktionsvorsitzender Dr. Gregor Gysi wird am 22. Januar um 14 Uhr auf der Grünen Woche an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Dort geht es um die Zukunft der Familienbetriebe in Deutschland. Haben sie eine Zukunft?
Natürlich. Als LINKE beschränken wir das aber nicht auf einzelbäuerliche Familienbetriebe, sondern sehen auch in der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung von Äckern, Weiden und Ställen, vor allem in Genossenschaften ein Zukunftsmodell. Wichtig ist uns, dass die Betriebe nicht durch ferngesteuerte Profitinteressen gelenkt werden, sondern von denjenigen, die vor Ort verankert sind und im Interesse der Region handeln. Auch hier ist eine Reduzierung der Debatte auf „klein gegen groß“ wenig hilfreich. Das eigentliche Problem sind Betriebe, bei denen der Geschäftsführer nur einmal in der Woche vorbeischaut um zu prüfen, ob das Lohnunternehmen die Aufträge erledigt hat. Eine solche Agrarstruktur lehnen wir ab.
Quelle: linksfraktion.de