Die SDGs im Wahlprogramm der Linken: Es gibt gute Alternativen, für die es sich zu kämpfen lohnt
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- 11 September 2017
Die 2015 beschlossene Agenda 2030 und die darin enthaltenen 17 Sustainable Development Goals (SDG) schaffen es nicht in die Talkrunden und Duelle zur Bundestagswahl. Ihre Umsetzung aber ist von zentraler Bedeutung für Menschen, Umwelt und Klima. Die entscheidende Frage ist, ob es in den nächsten vier Jahren gelingen wird, den politischen Kurswechsel auf den Weg zu bringen, den es braucht, um dem anspruchsvollen Ziel der Agenda 2030 gerecht zu werden: Die Transformation unserer Welt.
Viele Verbände und NGOs, die sich für eine ambitionierte Umsetzung der Agenda 2030 und der SDGs einsetzen, zeigen sich enttäuscht davon, dass die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in den Wahlprogrammen der Parteien keine größere Rolle einnehmen. Wenn überhaupt, so ein häufiger Kritikpunkt, tauchten die SDGs in den Wahlprogrammen nur im Umwelt- und Entwicklungsbereich auf – und damit in den beiden Ressorts, die sich ohnehin für die Umsetzung verantwortlich bzw. zuständig fühlen, nicht aber als Querschnittsaufgabe.
Grund genug, das Wahlprogramm der Linken einmal unter dieser Perspektive anzuschauen.
Grundsätzlich ist die Frage, woran man den Stellenwert der SDGs in den Wahlprogrammen messen möchte. DIE LINKE nennt die Agenda 2030 und die darin formulierten 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung nicht als Rahmenprogramm oder übergeordnete Zielsetzung ihres Wahlprogramms. Sie richtet ihr Programm auch nicht an deren Struktur aus.
Ihr Programm aber leistet etwas anderes:
Es übersetzt die SDGs in klare politische Prioritäten, wie der Einstieg bzw. der gerechten Übergang in eine nachhaltige Zukunft geschafft werden soll, und verbindet sie mit einer Vision für die Zukunft. Im Zentrum steht die politische Alternative einer demokratisch gestalteten Wirtschaft, die innerhalb der Belastungsgrenzen unserer Umwelt für die Menschen arbeitet und soziale Gerechtigkeit global denkt.
Damit bietet das Wahlprogramm eine Transformationsperspektive, die auf der Position aufbaut, dass die von der Agenda 2030 geforderte „Transformation unserer Welt“ im bestehenden Wirtschaftssystem nicht machbar ist. DIE LINKE ist die einzige Partei, die diesen Zusammenhang so klar benennt und politische Konsequenzen daraus zieht.
Von dieser Perspektive eines sozialökologischen Umbaus ausgehend definiert DIE LINKE in ihrem Wahlprogramm Projekte, die jeweils auf einer klaren politischen Prioritätensetzung beruhen. Zentrale Kriterien sind (1) die Eignung, den sozial-ökologischen Umbau voranzubringen und weitere Spielräume zu eröffnen („Hebelwirkung“), (2) die Verbindung von sozialen und ökologischen Aspekten, (3) die Vertiefung von Demokratie durch die Ausweitung oder Schaffung von Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten, (4) das Ansetzen an gesellschaftlichen Bewegungen und das Vertrauen in bzw. Setzen auf die Handlungsfähigkeit jedes Einzelnen, (5) die Perspektive internationaler Solidarität und globaler Gerechtigkeit.
Beispiele sind der sozial abgefederte zügige Ausstieg aus der Kohlestromversorgung und die demokratisch gestaltete ökologische Umstellung der Energieversorgung auf eine regenerative Basis; eine am Gemeinwohl orientierte Landwirtschaft, die auf das internationale Konzept der Ernährungssouveränität ausgerichtet ist und den Schwerpunkt auf regionale Erzeugung und Vermarktung statt Export legt; die Einführung einer Finanztransaktionsteuer, die Spekulationen auf den Finanzmärkten eindämmen soll und deren Einnahmen einerseits für eine nachhaltige Entwicklung in den Ländern des Südens und für globalen Klimaschutz und andererseits für den sozial-ökologischen Umbau unserer Industriegesellschaft genutzt werden.
Explizit erwähnt werden die SDGs bzw. die Agenda 2030 an zwei Stellen im Wahlprogramm:
Kapitel XV. „Nein zum Krieg. Für eine demokratische und gerechte Welt“ beschreibt die SDGs als wichtige Grundlage für internationale Solidarität und globale Gerechtigkeit und betrachtet die Umsetzung der SDGs als Mindestaufgabe für Deutschland (S. 103). Als Voraussetzung dafür wird ein politischer und wirtschaftlicher Richtungswechsel genannt, der in der Folge mit konkreten Politikvorschlägen für eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit und einen Strukturwandel deutscher Außen-, Handels-, Steuer- und Finanzpolitik konkretisiert wird.
Kapitel XIV. „Menschen und Natur vor Profite – für eine soziale, ökologische und demokratische Wirtschaft der Zukunft“ fordert den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft und bettet dieses Ziel in die Frage globaler Gerechtigkeit und Verantwortung ein. „Die Umsetzung der universellen UN-Agenda 2030 und der darin formulierten 17 Nachhaltigkeitsziele“, so steht es im Wahlprogramm, „muss die Verantwortung des Nordens verstärkt ins Zentrum rücken. Sie muss auf strukturelle Veränderungen zielen, um Armutsbekämpfung, Entwicklung und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen weltweit zu ermöglichen.“ (S. 85)
DIE LINKE betrachtet die SDGs im Wahlprogramm also weder einseitig als entwicklungs-, noch als klima- oder umweltpolitisches Thema. Vielmehr bekennt sie sich klar zu den SDGs als Mindestziele für Deutschland und verknüpft unter den Stichwörtern soziale Gerechtigkeit, Demokratisierung und internationale Solidarität den sozial-ökologischen Umbau in Deutschland mit einer Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit sowie einem strukturellen Wandel der Wirtschafts-, Agrar-, Außen-, Handels-, Finanz- und Steuerpolitik. Gerade die Anerkennung dieser Bereiche globaler Strukturpolitik als Teil der Verantwortung, die SDGs eben nicht nur in, sondern auch durch und mit Deutschland umzusetzen, geht über die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung hinaus, die sich bzgl. der internationalen Verantwortung in erster Linie auf Maßnahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit konzentriert.