Die Linke verknüpft soziale und ökologische Frage und entwickelt sich – gemeinsam mit Initiativen – programmatisch weiter
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- 14 Dezember 2017
- von Karin Masche und Ludwig Lindner
Bericht vom Sozial-ökologischen Ratschlag Hessen
Gut 80 Leute kamen am letzten Freitag (8.Dez.) in Frankfurt zusammen, als die LINKE Hessen einen ganzen Tag Zeit lang gemeinsam mit Initiativen und Verbänden über Möglichkeiten beriet, wie Hessen in eine sozialere und ökologischere Zukunft geführt werden könnte.
Diskutiert wurde sowohl über bereits konkret ausgearbeitete Konzepte – wie etwa einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr oder ein flächendeckendes kostenloses Schulessen –, als auch über harte Brocken, wie etwa die Entvölkerung des ländlichen Raumes bei gleichzeitiger Mietenexplosion in den urbanen Zentren, wo die Konzepte noch einigen Konkretisierungsbedarf aufweisen. Thema war zudem die für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft zwingend notwendige Konversion der Industrie, sowie die Frage, wie in Hessen die Energiewende gemeinsam vorangebracht werden kann.
Diskutiert wurde leidenschaftlich in sechs thematisch ausgerichteten Workshops. Den Auftaktvortrag hielt Prof. Markus Wissen zur "imperialen Lebensweise". Eingeladen hatten die Linksfraktionen im Bund sowie im Land Hessen, die sich nun bemühen, die vielen guten Ratschläge auch in ihre parlamentarische Arbeit einzubeziehen.
Sozial-ökologische Transformation – wie geht das?
Auftaktvortrag: Prof. Dr. Markus Wissen (Powerpoint des Vortrages)
Video: Imperiale Lebensweise - Die Verursachung der ökologischen Krise ist eine soziale Frage - Prof. Dr. Markus Wissen beim Klimacamp im Rheinland (2016)
Übersicht über die sechs Workshops
1. Energiewende
Sinnbild für den Klimaschutz. Aber wie können wir sie schneller umsetzen und sozial verträglich gestalten? Wie kann das große Potenzial der Energieeinsparung besser genutzt werden, ohne (neue) soziale Verwerfungen hervorzurufen? Viele statt vier! Wie ist es möglich große Konzernstrukturen in demokratische kommunale „Bürgerenergie“-Projekte umzubauen?
Gäste/Expert*innen:
Steffen Kühne (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Referent für sozial-ökologischen Umbau)
Dr. Werner Neumann (BUND Hessen)
Vorschläge und Diskussion
- Energiebilanz von Produkten ausweisen
- Transformation selber gestalten
- Umweltkrise als Einstieg in Kapitalismuskritik
- Mieterstrom
- private unkomplizierte Photovoltaikanlagen
- Energiegenossenschaften von unten
- Illegalisierung von eigener Stromeinspeisung bekämpfen
- EEG stornieren
- Notwendigkeit von Energiewende vermitteln - Ängste nehmen
- landeseigenes Gewerbeflächenmanagement
- Nicht Ideologisieren - Offenheit
- Sparen als Gewinn
- Vernetzung der Windkraftbefürworter
- Energiemanagement für landeseigene Gebäude
Kontroversen
- Energetische Gebäudesanierung -->Drittelmodell?
- Konsumverhalten ändern? Tabubruch?
- Energieeinsparung
- Sozial-ökologischer Umbau vs. grüner Kapitalismus?
- Zusammen statt Gegeneinander?
Wesentliche Themen/Probleme
- Braunkohleweltmeister
- Privatisierung der Paketdienste als soziales und ökologisches Problem
- Wie kann der Verbrauch reduziert werden - Verbot überflüssiger Produkte?
- lediglich teilweise Stromwende
- Gerechtigkeitskonflikte
- Teilweise gesellschaftliche Ablehnung von Windenergie
- schlechte Arbeitsbedingungen in erneuerbarem Sektor
- internationale Perspektive
- Wie kommen wir zu einer "kritischen Masse"?
2. Zukunft der Industrie
Wie geht sozial-ökologische Transformation der Industrie? Wie ist gute Arbeit zu sichern und zu schaffen? Was kann von Politik, Unternehmen und Gewerkschaften getan werden? Was kann Industriepolitik leisten? Welche Rolle spielen Konsument*innen?
Gäste/Expert*innen:
Michael Erhardt (IG Metall Geschäftsstelle Frankfurt)
Prof. Markus Wissen (HS für Wirtschaft und Recht Berlin)
Vorschläge und Diskussion
Wesentliche Punkte:
- Sozial-ökologischer Umbau geht nicht ohne die Machtfrage zu stellen
- Was soll unter welchen Bedingungen produziert werden?
- Demokratisierung
- Wie gestalten wir die Transformation so, dass Menschen in Lohn und Brot bleiben
Kontrovers:
- Einkommen aus a) Arbeit b) Grundeinkommen
- Fahr/Verbote
- Depriviligierung
Verabredungen/Ergebnis:
- Lernen von Stuttgart
Vorschläge:
- Arbeitszeitverkürzung
- Internationale Dimension
- Zusammenwirken alter und "neuer" Bewegung
- Gesellschaftliche Bedarfe
- ermitteln Gebrauchswertorientierung
- Mitbestimmung erweitern
- Steuerreform - weg von der Besteuerung von Arbeit zu von Ressourcen
- örtliche Wirtschaftsförderung
- staatliche Rahmensetzung
- attraktive Gegenerzählungen
- Konversion
3. Landwirtschaft und Ernährung
Die ökologische Landwirtschaft darf nicht der Sonderweg bleiben. Sie muss zum Standard werden. Aber wie kann die Umstellung auf naturverträgliche Landwirtschaft und die regionale Vermarktung gelingen? Wie können wir den Kampf für ein kostenloses Schulessen gemeinsam voranbringen? Welche Rolle spielen Boden- und Wasserschutz sowie Bodenrecht und Eigentum?
Gäste/Expert*innen:
Karin Binder (ehem. MdB, Verbraucherpolitik)
Benjamin Luig (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dialogprogramm Ernährungssouveränität)
Anne Noetzel (Agraringenieurin, Kassel/Witzenhausen)
Vorschläge und Diskussionspunkte
- Stärkung ländlicher Raum
- Verteilung von Förderung
- Erhaltung von ökologischen Standards
- Einhaltung von ökologischen Standards
Input Anne Nötzel
Solidarische Landwirtschaft:
- Verbindliche Abnahmemengen
- Verbindliche Sicherstellung des Einkommens
Entwicklung ökologischer Landbau:
- 7.5% der Fläche (1,2 Mio. ha), Hessen 12,6%
- 27000 Betriebe (8,8% der Betriebe), Hessen 2855 (Landbau + Verarbeitung)
Uni Kassel/Witzenhausen:
- Gründungen durch Absolventen
- Umstellungsgruppe 6-8 Höfe pro Jahr
- Internationale Perspektive
- politische Arbeit
Input Benjamin Luig
EU Agrarpolitik Permanenter Reformprozess ca. 20 Mrd. Volumen
- 80% Entkoppelte Direktzahlung, Zahlung nach Größe
- kaum ökologische Standards
- 20% zusätzliche Fördermittel "Spielraum"
- Fördersumme 100 Millionen/ Jahr/Hessen
Wesentliche Themen/Probleme:
- Förderung von Ungleicheit
- Deregulierung --> Milchquote, Zucker??
- Überproduktion, Preisdruck + Weltmarkt
- Arbeitsbedingungen
- 300.000 Wanderarbeiter, Migranten
- Umgehung Mindestlohn
- Fehlender Arbeitsschutz
- Lieferketten
- Konzentration der Verarbeitung
- Geringe Umweltstandards
Input Karin Binder
- Beitragsfreies Schulessen
- Viele Alleinerziehende
- Kosten für Umsetzung 8 Mrd., Folgekosten 70 Mrd.3/4 Bund, 1/4 KommunenFehlernährung -->
- ernährungsbedingte Krankheiten
- Förderung regionale Wirtschaft
- Erfahrungsproduktion, Produktion und Zubereitung
Verabredungen und Akteure
- Solidarische Ernährung in die Kreisverbände
- Konferenz in Nordhessen
4. Mobilität
Wir suchen Auswege aus der Automobilgesellschaft für mehr Lebensqualität in Stadt und Land. Kann ein „Nulltarif im ÖPNV“ hier eine Schlüsselrolle spielen? Welche Ideen zur Förderung von Rad- und Fußverkehr gibt es? Und wie schaffen wir Mobilität für Alle – mit weniger Verkehr?
Gäste/Expert*innen:
Sabine Leidig (MdB, verkehrspolitische Sprecherin)
Dr. Bernhard Knierim (Bündnis Bahn für Alle)
Jan Schalauske (Landtagsabgeordneter, DIE LINKE. Hessen)
Themen/Probleme Hessen
- Straßennetz +70%
- Schiene -50%, weniger Bahnhöfe, weniger Personal
- 1/3 der Emissionen motorisierter Individualverkehr
- Stickoxydbelastung in den Städten
- gesundheitliche Belastung trifft die Armen
- Auto Statussymbol
Vorschläge/Forderungen
- Raumstruktur entwickeln
- Verkehrsvermeidung
- homeoffice fördern
- Car Sharing fördern
- Kleinbusverkehr ausbauen
- Ladeinfrastruktur für kleinere E-Autos fördern
- O-Tarif ÖPNV schreittweise einführen
- Sozialticket (Hartz IV ua)
- Kostenfreies SchülerInnenticket
- Ökostrom bei ÖPNV zwingend
- Verkehr reduzieren vor allem in Städten bedeutet mehr Lebensqualität
- Flächen in der Stadt gehören allen
Bahn:
- 50% der Flüge auf die Bahn verlagern
- Reaktivierungen Schienennetz in Stadt und Land
- Integration Nah- & Fernverkehr
- Bessere Anbindung kleinerer Städte --> Interregiozüge
Fahrrad:
- "Fahrradgerechtigkeit" bessere Radwege auch auf der Fahrbahn
- Bedingungen für Fahrräder verbessern
- Nicht nur Fahrradwege ausweisen, auch auf deren ... Zustand achten (Belag, ...) Kontroversen
O-Tarif:
- Alternative vergünstigtes Bürgerticket
- Ziel ist nicht die Verlagerung von Fuß auf ÖPNV
- Straßen und Parkplätze reduzieren
- Carsharing z.T. kritisch
Vorschläge/Forderungen/Ideen
- citizens science nutzen
- Aktionen, die Drive reinbringen
- Autofreie Innenstädte?
- Autofreie Straßenachsen
- Preispolitik öffentlicher Verkehr
- Gehwegparken abschaffen
- Internalisierung externer Kosten
- Freier Verleih von Lastenrädern
- Kurzstreckenflüge verbieten
- Keine PKW zum privaten Gebrauch?
- weniger/schmalere Autoparkplätze
- Güter auf Schiene und Schiffe
- Entschleunigungen
Verabredungen/Akteure
- Wo machen wir die Aktionen?
- Gegner Bezug herstellen
- O-Tarif in anderen Ländern
- Beschäftigte sind unsere Bündnispartner
- Beispiele andere Städte für Fahrradgerechtigkeit
- Changing Cities e.V.
5. Regionalplanung und Wohnen
Schrumpfende Dörfer mit der Erosion der Infrastruktur in den ländlichen Räumen und das Wachstum und die Verdichtung der Ballungsräume mit steigenden Mieten, sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Welche Wege müssen eingeschlagen werden, um dieser scheinbar unausweichlichen Entwicklung zu begegnen? Wie können wir die Flächenversieglung stoppen? Wie kommt die Arbeit (wieder) zu den Menschen? Wie ermöglichen wir die energetische Sanierung des Wohnungsbestandes, ohne Belastung und Verdrängung von Mieter*innen?
Gäste/Expert*innen:
Conny Petzold (AK Kritische Geographie, Goethe-Universität Frankfurt)
Wesentliche Themen
- Wohnraummangel, Verdrängungskämpfe permanente Konflikte
- Bevölkerungsrückgang, Leerstand und Überalterung
- solidarische Wohnungspolitik - wie geht das? Bezahlbarer Wohnen
- kommunaler Wohnungsbau arbeitet auch gewinn- und nicht bedarfsorientiert
- Wohnzungsbaugesellschaften agieren profitorientiert, Wohnungen fallen aus der Mietpreisbindung
- Zuzug in die Metropolräume
- Wohnraum versus Neuversiegelung
- Enormer Bedarf an Sozialwohnungen (in Ffm 49% Berechtigte)
- FFM wirbt aktiv um Firmenansiedlungen --> Bevölkerungszuwachs und Wohnungsmangel
Vorschläge und Diskussionspunkte
- Kontingente für besondere Gruppen --> Haftentlassene, Frauenhaus, Menschen ohne Obdach
- Quote für Sozialwohnungen bei allen Bauprojekten
- Situation auf dem Land: keine Arbeitsplätze, kein ausreichender ÖPNV, keine Ärzte, Apotheken etc., kein Internet
- Stadtplanung nicht den Investoren überlassen
- Leerstand kriminalisieren
- Bodenstiftung -->Vergabe nur im Erbbaurecht mit ökologischen Kriterien
- besondere Aufgaben der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften betonen
- Sozialbindung auf Dauer gesetzlich regeln
- Fast ausschließlich investorengetriebener Wohnungsbau
- Deeitiger Wohnungsbau verschärft die soziale und ökologische Krise
- Luxusleerstand versus Zwangspäumungen und überfüllte Notunterkünfte
- es gibt "best practise" Beispiele für gute Wohnungsbaugenossenschaften
Kontroversen/Übereinstimmungen
- Arbeit 4.0 als Chance gegen Wohnraummangel?
- Nutzung des öffentlichen Raums ermöglichen
- Kommunale Wohnungsbauunternehmen Teil des Problems und der Lösung (Quoten, Bindung)
- Stiftung in der kommunales und Landeseigentum versammelt wird gründen?
- Öffentliche Nahverkehrskonzepte ohne Monopolorientierung (Tangenten)
- in konkrete Wohnungskämpfe unterstützend eingreifen
- Entbürokratisierung der Fördermittelbeantragung
Verabredungen und Akteure
- öffentliche Flächen nicht mehr verkaufen, nur noch Erbbaurecht
6. Flughafen Frankfurt
Wie muss ein zeitgemäßes Entwicklungskonzept für den Frankfurter Flughafen aussehen, um dessen Mobilitätsfunktionen für Menschen und Wirtschaft raumverträglich zu erreichen? Wie kann die Verlagerung von Flügen auf Züge umgesetzt werden? Wie können Lärmschutz und Nachflugverbot durchgesetzt werden?
Gäste/Expert*innen:
Jörg Cezanne (MdB, DIE LINKE)
Knut Dörfel (AK Fluglärm und Umwelt)
Dr. Winfried Wolf (Journalist, Bahnexperte)
Wesentliche Themen
- Ultrafeinstaub
- Fluglärmgesetz
- Verdreifachung Weltflugverkehr
- Wachstum Flugverkehr --> Klimabelastung
- Binnenflugverkehr
- Flughäfen defizitär/subventioniert - Billigairlines
- Korruption / Schmiergelder
- Krankheitskosten
- Planfeststellungsbeschluss --> GRÜNE verlieren Glaubwürdigkeit
- (kein) Einblick in Konsertialvertrag
- Arbeitsbedingungen problematisch
- Montagsdemonstrationen Terminal 1
- Was geschieht mit der Wut der Menschen?
- BIs in schwieriger Situation
- Belegschaften, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen
- Flugsteig 6 Terminal 3
- Sozialmonitoring
Vorschläge und Diskussionspunkte
- mehr "Klinkenputzen"
- Lärmentgelte erhöhen
- dem Lobbyismus auf der europäischen Ebene entgegentreten
- Klimabelastung - Flugverkehr deutlich reduzieren
- Negative Beschäftigungseffekte
Verabredungen und Forderungen
- Kontakt Bürgerinitiativen S21 - Flughafen - "Kultur des Widerstands"
- Gesamtbelastungsstudie
- integriertes Umweltmonitoring (externe Kosten erfassen)
- Schadstoffkataster weiterentwickeln
- vorhandene Studien zusammenfassen
- Fluglärmreduzierung
- Gesundheit
- Soziale Entwicklung
- öffentlich-rechtlichen Anteil thematisieren
- Flüge auf die Züge (Nachtzüge)
- Recht auf Unverletzlichkeit der Person