PF 43 Hamburg – Öresundregion

{jcomments on}Das dänische Projekt Feste Fehmarnbeltquerung ist überflüssig. Der im deutschen Bedarfsplan enthaltene zweigleisige Ausbau der Hinterlandanbindung mit 160 km/h für den Personenfern- und –nahverkehr ist auch bei Beibehaltung der Fähre wichtig, zumindest Begegnungsabschnitte.


 

Aausführliche Einschätzung vom 13.11.2010.

Fehmarn-Hinterlandanbindung - Einschätzung des Eisenbahnprojektes

- Plädoyer für eine differenzierte Beurteilung -

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Gegenwärtige Verkehrssituation

Personenfernverkehr:
Über die Strecke Lübeck – Puttgarden und die Eisenbahnfähre Puttgarden – Rödby ist Hamburg mit Kopenhagen verbunden. Täglich verkehren 5 Zugpaare; das ist wenig. Die Fahrzeit beträgt fast 5 Stunden, von Berlin fast 7 Stunden; das ist viel und nicht geeignet, Personen vom Flugzeug und Auto auf die Eisenbahn zu bringen. Die Fahrzeitanteile betragen Lübeck – Puttgarden rund 60 min, Puttgarden – Rödby rund 60 min (davon 45 min auf See, der Rest Be- und Entladen), Rödby – Kopenhagen 110 min.

Personennahverkehr:

 Lübeck – Puttgarden 2-Stunden-Takt, Fahrzeit rund 90 min,
Lübeck – Neustadt (Holstein) 2-Stunden-Takt,
kein Nahverkehr zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark

Güterverkehr:
Kein Güterfernverkehr, dieser läuft über Flensburg - Odense

 

Inhalt des Projektes

Es ist ein Projekt des Bedarfsplans Schiene, also ein Projekt des Bundes für den Personenfernverkehr und Güterverkehr, nicht für den Personennahverkehr.

Es beinhaltet den Ausbau der Eisenbahnstrecke Lübeck – Puttgarden. Es beinhaltet nicht die Fehmarnbeltquerung Puttgarden – Rödby; diese ist laut Staatsvertrag ein dänisches Projekt.

Die heute eingleisige Strecke soll – außer auf der Fehmarnsundbrücke – das 2. Gleis erhalten und elektrifiziert werden. Die Geschwindigkeit soll je nach Topografie abschnittsweise unterschiedlich angehoben werden, z. B. von 100 auf 120, von 140 auf 160, maximal auf 160 km/h angehoben werden; dazu muss die Strecke teilweise begradigt, also neu trassiert werden. Die Bahnsteige sollen bei geänderten Gleislagen umgebaut werden.

Von Lübeck (genauer: Bad Schwartau) bis Burg auf Fehmarn ist die Planung unabhängig davon, ob, wo und wie der Fehmarnbelt überquert wird (Fähre, Brücke oder Tunnel). Erst nördlich von Burg soll die Neubaustrecke auf die Fehmarnbeltbrücke oder den Tunnel zulaufen und Puttgarden abhängen, da der Übergang aufs Meer nicht im Fährbecken sein wird.



Allgemeine Ziele linker (d. h. ökologisch-sozialer) Verkehrspolitik (soweit sie dieses Projekt betreffen)

Im Personenverkehr solche Bedingungen schaffen, die die Menschen zum Benutzen der Eisenbahn anstelle des Autos und des Flugzeugs anreizen, d. h. dichter Takt, direkte Anschlüsse, kurze Fahrzeiten, Pünktlichkeit. Das gilt für Fern- und Nahverkehr. Im Nahverkehr außerdem ortsnahe Haltepunkte, direkte Anschlüsse zum Bus.

Güterfernverkehr generell zurückdrängen. Soweit er sein muss oder sich vorerst nicht zurückdrängen lässt, solche Bedingungen schaffen, die die Frachtkunden zum Benutzen der Eisenbahn anstelle des Lkw veranlassen, d. h. vor allem ausreichend Gleiskapazitäten und wenig Behinderungen während der Fahrt, angemessene Fahrzeiten. Wiederausbau und Förderung von Gleisanschlüssen in den Firmen und des Ortsgüterverkehrs.

 

Spezielle Ziele linker Verkehrspolitik für dieses Projekt

Im Personenverkehr Stundentakt Hamburg – Kopenhagen mit deutlich kürzerer Fahrzeit. Ein Teil der Züge (vielleicht jeder zweite) muss in Neustadt, Oldenburg, Burg, Nyköbing usw. halten, um den Nachbarschafts-Nahverkehr von der Straße auf die Schiene zu ziehen.

Erschließung der Orte unterwegs durch ortsnahe und reaktivierte Haltepunkte. Direkte Anschlüsse in Lübeck und Hamburg in alle Richtungen, besonders nach Berlin.

Kein Güterfernverkehr auf dieser Strecke; für Zuwächse im Skandinavien-Verkehr den Schienenweg über Flensburg ausbauen. Ortsgüterverkehr ermöglichen.

Lärmschutz, Erschütterungsschutz und Naturschutz ausreichend berücksichtigen.



Wieweit erfüllt das Projekt die Ziele linker Verkehrspolitik?

Der zweigleisige Ausbau, zumindest abschnittsweise, ist Voraussetzung für Taktverdichtung und Pünktlichkeit. Begradigung und Geschwindigkeitserhöhung sind Voraussetzungen für Fahrzeitverkürzung. Bei angenommenen 135 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit nach Ausbau lässt sich die Fahrzeit Lübeck - Puttgarden ganz grob um 20 min auf 40 min verkürzen.

Die Elektrifizierung bringt zusätzliche Fahrzeiteffekte im Nahverkehr. Für den ostseequerenden Verkehr wären neue Fahrzeuge erforderlich, die unter deutschem und dänischem Stromsystem und mit Diesel im Fährbereich fahren können.

Die Nahverkehrs-, Ortsgüterverkehrs- und Umweltziele lassen sich bei konstruktiver Einflussnahme auf die  Ausgestaltung des Projekts – sicher gegen Widerstände verschiedenster Art – mehr oder weniger erreichen.

 

Zusammenhang mit anderen Projekten

Die Feste Fehmarnbeltquerung (als Brücke oder Tunnel) würde bei rund 20 km Länge und angenommenen 120 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit eine Fahrzeitverkürzung um 50 min auf 10 min erbringen. Auf diesen Zeitvorteil muss man angesichts der enormen Kosten und der ökologischen Risiken verzichten.

Mit dem Ausbau der dänischen Strecke Rödby – Nyköbing – Ringsted lassen sich geschätzt mindestens 30 min Fahrzeit einsparen, so dass bei Beibehaltung der Fähre und Ausbau der Hinterlandanbindungen die Fahrzeit Hamburg – Kopenhagen auf etwa 4 Stunden gesenkt werden kann. Das wird zwar nicht alle Flugpassagiere in die Eisenbahn holen, aber einen Teil, und bei ansprechenden Fahrpreisen auch einen Teil der Autofahrer.

Für den Güterfernverkehr dürfte die etwa 3 Stunden längere Fahrzeit auf dem Schienenstrang Neumünster – Flensburg – Fredericia – Odense – Ringsted gegenüber der Vogelfluglinie nicht ins Gewicht fallen. Bei der Bewertung des Eisenbahnausbaus Lübeck - Puttgarden sind eingesparte Lkw-Betriebskosten, mit denen das BMVBS argumentiert, abwegig. Entweder vergleicht man den Eisenbahnverkehr über beide Wege oder den Lkw-Verkehr über Fähre und Feste Querung; im letzten Fall würden die Lkw-Betriebskosten bei der festen Querung noch zunehmen. Den Vergleich Lkw auf Fähre mit Güterwagen auf

Fester Eisenbahnquerung anzustellen, ist unlogisch oder zumindest nur für einen geringen Teil der Transporte zutreffend.

Falls der Güterverkehr mittelfristig anwachsen sollte, kann die Strecke Neumünster – Flensburg – Fredericia noch deutlich mehr aufnehmen, wenn sie auf dänischer Seite durchgehend zweigleisig ausgebaut wird. Auch auf deutscher Seite kann die Kapazität durch Blockverdichtung noch gesteigert werden. Schwieriger ist die Kapazitätserhöhung zwischen Fredericia und Kopenhagen, weil  sich der Güterverkehr dort 2 Gleise mit dem starken innerdänischen Personenverkehr teilt. Auch südlich von Neumünster wären zur Bewältigung steigenden Güterverkehrs Ausbaumaßnahmen erforderlich, z. B. 2. Gleis Neumünster – Bad Oldesloe.

Der Ausbau der Straßen-Hinterlandanbindung ist wie jeder Straßenneubau und –ausbau aus bekannten prinzipiellen Gründen abzulehnen.



Schlussfolgerungen

Die Feste Fehmarnbeltquerung wird für den Güterverkehr überhaupt nicht gebraucht und ist für den Personenverkehr unangemessen teuer und riskant. Die Fähre Puttgarden – Rödby stellt eine leistungsfähige und akzeptable Verbindung dar.

Der Ausbau der Eisenbahn-Hinterlandanbindungen der Fähre auf deutscher und dänischer Seite ist nützlich und wichtig zum Erreichen der Klimaschutzziele. Er muss auf die Ziele des Personenfern- und –nahverkehrs ausgerichtet werden; dadurch lassen sich die Kosten etwas senken.



Handlungsempfehlungen

Nicht mehr die Eisenbahn-Hinterlandanbindung bekämpfen, sondern die Feste Fehmarnbeltquerung und die Straßen-Hinterlandanbindung. Für den Ausstieg aus dem Staatsvertrag eintreten, aber für die modifizierte Eisenbahn-Hinterlandanbindung werben.

Konstruktive Einflussnahme auf die  Ausgestaltung des Projekts im Sinne ökologisch-sozialer Ziele.

Verbündete in Dänemark und in der EU suchen, die das dänische Fehmarnbelt-Projekt stoppen, aber den dänischen Hinterlandausbau unterstützen.