Bahnpreiserhöhung stoppen!

fahrkartenautomatIn dieser Rede zum gleichnamigen Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag wendet sich Sabine Leidig gegen die drastischen Fahrpreiserhöhungen der Bahn zum Fahrplanwechsel im Dezember. Preissteigerungen deutlich über der Inflationsrate und das seit Jahren bei gleichzeitiger Reduzierung von Angebot und Service sind durch nichts gerechtfertigt. Hier muss die Politik gegensteuern: "Was wir brauchen ist eine Bahn für alle, mit attraktiven Angeboten für die breite Bevölkerung, um allen Menschen ein ökologisches Reisen zu ermöglichen."

 


Rede zu Protokoll am 1.12. 2011 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Bahnpreiserhöhung stoppen“ (Drs. 17/7940)



Werte Kolleginnen und Kollegen,

Bahnfahren wird schon wieder teurer – wie jedes Jahr. Für uns Bundestagsabgeordnete kein Problem, weil wir mit der kostenlosen Netzkarte reisen – und zwar erste Klasse. Aber die allermeisten Leute, die umweltbewusst die Bahn nutzen, oder die darauf angewiesen sind, werden übermäßig zur Kasse gebeten. Und das dürfen wir nicht zulassen!

Konkret steigen die Preise zum Fahrplanwechsel in diesen Tagen um 3,9 Prozent im Fernverkehr und um 2,7 Prozent im Nahverkehr.
Wir haben mal alle Preiserhöhungen der letzten Jahre zusammen gestellt – eine Grafik dazu finden Sie in unserem Antrag: das Ergebnis ist ein Ohrfeige für alle, die mehr Reisende von der Straße auf die Schiene bringen wollen: seit 2003 sind die Preise fürs Bahnfahren um über 31 Prozent gestiegen – das ist doppelt so viel, wie die Inflationsrate in diesem Zeitraum, die lag bei 15,4 Prozent. Ungefähr so war auch die Teuerungsrate für Autofahrer.
Das heißt, dass diejenigen draufzahlen, die sich vernünftig verhalten – das ist doch gesellschaftpolitische Dummheit.
Doch damit nicht genug. Neben den offiziellen wirken sich die versteckten Preiserhöhungen noch schlimmer aus: Zum Beispiel fallen mit dem diesjährigen Fahrplanwechsel die Sparpreise 25 und 50 weg, und Reservierungen im Internet werden 60 Prozent teurer. Der Preis für die BahnCard 50 wird um 4,3 Prozent angehoben. Damit ist der Preis dieser Karte für Vielfahrerinnen seit 2003 um fast 74 Prozent gestiegen! Also die Bahn verschreckt mit dieser Preispolitik vor allem ihre besten Kunden.
Dazu kommt das Problem, dass das Preissystem der Bahn über die Jahre immer unübersichtlicher gemacht worden ist. Inzwischen ist es selbst für eingefleischte Bahnfans schwierig herauszufinden, wie man am günstigsten fahren kann. Nach Untersuchungen von Stiftung Warentest schafft das oft nicht einmal das Servicepersonal in den Reisezentren. Bahnfahren wird also immer mehr zum teuren Glücksspiel, und das schreckt die Menschen ab.

Nun könnte man ja sagen, wenn die Bahn immer besser würde, wäre es angemessen, mehr Geld zu verlangen. Aber das Gegenteil ist der Fall:

Die Preise steigen, aber der Bahnservice wird schlechter: Die Zahl der Züge nimmt ab, und jetzt sollen diese auch noch seltener gereinigt werden, um Kosten einzusparen. Noch schlimmer: Immer mehr Zugverbindungen im Fernverkehr werden komplett aus dem Fahrplan gestrichen. Wir haben bei widrigem Wetter im Winter chaotische Zustände erlebt und sogar im Sommer. Aber selbst wenn alles normal läuft, sind nur noch zwei Drittel der Fernzüge pünktlich – das haben Stiftung Warentest und VCD nachgewiesen. Oft verpasst man dann den Anschlusszug, und wegen 10 Minuten Verspätung kommt man erst ein oder zwei Stunden später am Ziel an. Also leider keine bessere Bahn, sondern das Gegenteil. Das muss sich aber ändern! Und weil die Bahn zu 100 Prozent dem Bund gehört, hat auch der Bundestag da eine Verantwortung!

Wir brauchen keine Deutsche Bahn-AG, die 2011 einen Rekordgewinn von über 2 Milliarden Euro anpeilt, wenn das zu Lasten der Qualität und zu Lasten der Bahnreisenden geht. Wir wollen keine Bahn, die sich auf Geschäftsreisende und Besserverdienende konzentriert.
Was wir brauchen ist eine Bahn für alle mit attraktiven Angeboten für die breite Bevölkerung, um allen Menschen ein ökologisches Reisen zu ermöglichen.

Der Verkehrsminister sollte sich Rat holen bei der Schweizer Bahn: dort redet niemand von maximalen Gewinnen. Dort hat das öffentliche Eisenbahnunternehmen klare Vorgaben, welche Angebote nach welchen Qualitätskriterien gewährleistet werden müssen. Und das ist auch richtig so.

Sorgen Sie dafür, dass Bahnfahren gut und günstig wird.
Mit einem einheitlichen und nachvollziehbaren Preissystem, das deutschlandweit für den gesamten öffentlichen Verkehr gilt, wie es die Schweiz mit dem „direkten Verkehr“ macht. Mit Preisen, die auch für Menschen mit geringerem Einkommen erschwinglich sind. Und mit attraktiven Dauerkarten, um viel mehr Stammkundinnen und Stammkunden für die Bahn zu gewinnen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Bahnpreisspirale zu stoppen. Sorgen sie dafür, dass die jüngste Fahrpreiserhöhung zurückgenommen wird – so lange, bis die Leistung stimmt!