Die Bedeutung von CCS für die Lausitz – ein Mythos bröckelt

Zunächst eine Vorbemerkung, da sich viele noch an die Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue“ erinnern werden. Es ist damals bei vielen Menschen nicht angekommen, dass das dort vorgeschlagene Konzept ein Kompromißvorschlag war. Die Verunsicherung über einen möglichen Rückzug Vattenfalls aus der Lausitz Ende September 2010 hat für viele dann erstmals ein Ende der Braunkohlenwirtschaft in der Lausitz denkbar gemacht. Ich hoffe, dass der Vorschlag der Volksinitiative nun vielleicht in anderem Licht gesehen wird, denn Ausstieg könnte auch viel schneller gehen.

 


Seit dreieinhalb Jahren diskutieren wir über neue Tagebaue und genauso lange sind Arbeitsplätze das Hauptargument dafür. Da ist es doch erschreckend, dass seit dreieinhalb Jahren kein einziges Gutachten zu der Frage vorliegt, wie viele Arbeitsplätze diese neuen Tagebaue eigentlich sichern könnten. Wir bekommen immer nur Zahlen der Gegenwart oder Vergangenheit zu hören. Zum Betriebszeitraum neuer Tagebaue nach 2020 gibt es weder Aussagen von Vattenfall, noch unabhängige Gutachten. Ich sehe die Landesregierung eindeutig in der Pflicht, das nachzuholen und ein solches unabhängiges Gutachten zu beauftragen. Damit würde überhaupt erst einmal eine Grundlage zur sachlichen Diskussion geschaffen. Die anstehende Fortschreibung der
Energiestrategie ist dazu der richtige Anlaß.

Herr Knauber von Vattenfall hat heute vormittag ein Gutachten des Öko-Institutes so gelobt, weil es sich für CCS ausspricht. Ich möchte dieses Gutachten ein wenig näher beleuchten. Es heißt „Modell Deutschland“ und wurde vom WWF beauftragt. Die Ergebnisse müßten aus drei Gründen eigentlich sehr im Sinne der Lausitzer Gewerkschafter sein: Erstens geht es von der Umsetzung des Atomausstieges aus und zweitens von der Anwendung von Braunkohle-CCS. Nämlich „wird unterstellt, dass diese Technologie ab 2025 zunächst in neuen Braunkohlekraftwerken und ab 2035 auch in neuen Steinkohlekraftwerken eingesetzt wird und dass die Speicherung von CO2 nachhaltig und sicher ist“. Drittens wurde dieses Gutachten in Zusammenarbeit mit Prognos erstellt, also der Firma, die im Streit um Horno immer im Sinne der Tagebaubefürworter gegutachtet hat. Aufgabe der Studie war herauszuarbeiten, wie Deutschland seine Klimaschutzziele bis 2050 erreichen kann. Heraus kam aber folgendes: Die Stromerzeugung aus Braunkohle müßte bis 2020 auf 85,9 Terrawattstunden, also 56 % der Menge von 2005 sinken, später auf 37 % und würde auch nicht wieder ansteigen. Vergleichen Sie das bitte mal mit den Tagebauplanungen, die konstante Fördermengen sicherstellen wollen und mit den Arbeitsplatzversprechen, die im Zusammenhang mit CCS gemacht werden. Um den Strukturwandel weg von der Braunkohle kommt die Lausitz also in keinem Fall herum.

Auf der anderen Seite würden auch für diese deutlich schrumpfende Braunkohlewirtschaft die Endlager in Beeskow oder Neutrebbin nicht ausreichen. Es ist uns gerade in der letzten Sitzung des Braunkohlenausschusses noch einmal von Vattenfall bestätigt worden: Beeskow oder Neutrebbin sind für das Demonstrationskraftwerk gedacht. Wird in Jänschwalde ab 2020 ein kommerzielles CCSKraftwerk errichtet, so müssen weitere Endlager gefunden werden, in Regionen, in denen die Menschen das heute noch gar nicht ahnen. Das heißt, hier würde schon wieder die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Schon mehrfach wurde heute das China-Indien-Argument angesprochen. Auch dazu eine Bemerkung. Jeffrey Michel verdanke ich den Hinweis auf eine Reuters-Meldung vom 30.November. Dort ist zu lesen, dass Indien inzwischen einen steigenden Anteil seines Kohlebedarfes importieren muß. Das bedeutet, mit CCS und seinem Mehrverbrauch an Brennstoff würde Indiens Importabängigkeit steigen! Effizienzsteigerung und Erneuerbare Energien verringern den Ressourcenverbrauch. CCS dagegen erhöht ihn, sowohl bei Kohle als auch bei Wasser. Wie groß das Interesse an einer breiten Anwendung in Ländern wie China und Indien tatsächlich sein wird, muß deshalb kritisch hinterfragt werden. Möglicherweise wird darüber in Brandenburg mehr geredet als in diesen Ländern selbst.

Diskussionsbeitrag zur Lausitzkonferenz des DGB am 6.12.2010

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