„Wir hatten doch nur einen Salzstock!“
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- 14 Mai 2012
Sein gesamtes Berufsleben lang bis zu seinem Ruhestand 1998 war er in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beschäftigt. Der Zeuge Prof. Dr. Langer ist dem Untersuchungsausschuss Gorleben kein Unbekannter. Er wurde bereits am 11.11.2010 vernommen, damals aber zu einem gänzlich anderen Themenbereich. Diesmal sollte es um die Salzstudie der BGR von 1995 gehen sowie um die umstrittene Entscheidung von 1997, den Salzstock Gorleben nur zur Hälfte zu erkunden. Der Geologe Langer, heute 78 Jahre alt, ist jemand, dem der Kanon der BGR in Fleisch und Blut übergegangen ist und der ihn wahrscheinlich selbst mit komponiert hat. Deshalb versteht er manche Fragen auch gar nicht, die man ihm stellt.
Wenn man aus einer Untersuchung, die Gorleben nicht zum Gegenstand hatte, den Schluss zieht „Gorleben bleibt erste Wahl“ wie es am 28.08.1995 die damalige Bundesumweltministerin Dr. Merkel gemacht hat, bezeichnet Prof. Langer das als „unglückliche Verquickung“. „Sie haben den Finger in die richtige Wunde gelegt“, sagt Langer zu der Vorsitzenden Kirsten Lühmann, die ihm diesen seltsamen Vergleich, der sich wissenschaftlich nicht begründen lässt, vorhält. Es ist aber für ihn gar keine richtige Wunde, stellt sich dann heraus. Es sei schon richtig, dass es für die BGR keinen Zweifel gegeben habe, in Gorleben weiterzuarbeiten. Und die Studie habe sie auch geliefert. Wissenschaftlich gesehen, ist aber die Aussage „Gorleben bleibt erste Wahl“ nicht glücklich, denn sie stelle ja einen Zusammenhang her, wo keiner sei. „Erste Wahl“ sei nicht richtig, denn „wir hatten doch nur einen“.
Langer war offenbar zu diesem Zeitpunkt und bis heute mit dem Zustand zufrieden, nur einen Standort zu untersuchen – das scheint ihm ganz natürlich. Da ist er völlig klaglos. Deshalb kann er auch nicht verstehen, wie man auf die Idee kommen kann, dass aus der Salzstudie, in der ja mindestens vier andere Salzstandorte (Wahn, Waddekath, Zwischenahn und evtl. Gülze-Sumpte) auf den ersten Blick besser abschneiden als Gorleben, den Schluss ziehen kann, möglicherweise weitere oder überhaupt andere Standorte zu untersuchen.
„Man hätte weitere Untersuchungen rechtfertigen können, wenn es Anlass gegeben hätte, dass es Schwierigkeiten geben würde in Gorleben. Das war aber nicht der Fall,“ so Langer. Dass man, wenn man Hinweise auf bessere Standorte hat, die nämlich nicht das Gefahrenpotenzial einer eiszeitliche Rinne über dem Salzstock besitzen (so wie Gorleben) und die ein intaktes Deckgebirge haben, das als Barriere wirksam sein kann (so wie Gorleben nicht) – dass man also solchen Hinweisen bei wissenschaftlich sauberem Arbeiten nachgehen würde, damit man unter den in Frage kommenden Salzstöcke auch wirklich den „besten“ finden würde – diese Vorgehensweise kommt Langer nicht in den Sinn. Doch warum nicht?
Alternativ-Untersuchungen würden Milliarden kosten
Die Kritik sei ihm schon bekannt, zum Beispiel Dr. Detlef Appel, der gesagt hatte, bei Einbeziehung Gorlebens in die Salzstudie wäre es als „nicht untersuchungswürdig“ aussortiert worden. Aber da ist Prof. Michael Langer perfekt abgestimmt mit der Tonlage seiner BGR: Herr Dr. Appel würde das Deckgebirge zu hoch bewerten. Viel entscheidender sei ja die innere Struktur der Salzstöcke – das Steinsalz selbst. Das kennt man in Gorleben mittlerweile gut, doch über den Innenaufbau der anderen untersuchungswürdigen Standorte aus der Salzstudie sei nichts bekannt. „Es gab für die BGR nie die Frage, die vier Standorte der Salzstudie tiefer zu untersuchen,“ so Langer. Es sind solche rätselhaften Sätze, die einen über die Psychologie eines solchen Wissenschaftlers sinnieren lassen, denn hier scheint bei ihm wie bei der BGR ein kollektives Scheuklappendenken eingesetzt zu haben. Müsste doch ein Wissenschaftler ein Bedürfnis haben, möglichst viel und umfassend zu forschen, zumal in einem noch neuen Forschungsgebiet wie der Endlager-Forschung. Statt dessen: nicht links und nicht rechts gucken, nur das eine Objekt der Anschauung sehen und manches, was sich aufdrängt, gar nicht zur Kenntnis nehmen. Verliebte verhalten sich so. Aber offensichtlich auch Wissenschaftler, die ihr Anschauungsobjekt fürs Leben gefunden haben. Für Langer war das eindeutig Gorleben. Und Langer war eine wichtige Stimme in der BGR. Doch die Wissenschaft müsste eigentlich nach anderen Gesetzen funktionieren.
Auf der Suche nach weiteren Erklärungen für dieses Ausblenden konfrontiert Dorothée Menzner, Obfrau der LINKEN, Langer mit einem Vermerk aus dem Bundeswirtschaftsministerium vom 8.6.1995, in dem es heißt: „Einen Alternativstandort auf ein vergleichbares Erkundungsniveau wie Gorleben zu bringen, würde Milliardenaufwand bedeuten; dies wäre volkswirtschaftlich nicht vertretbar.“ Ob solche Kostenwägungen eine Rolle gespielt hätten in den Gesprächen der BGR mit den Ressorts, fragt Menzner den Zeugen. „Ja sicher, Bilanzen waren immer ein Thema, denn die BGR hat gekostet, das ist klar. Da hat man sich schon Gedanken gemacht,“ so Langer.
„Ich war mir des Risikos bewusst“
Einen weiteren Schwerpunkt der Befragung bildete die Empfehlung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) von 1997 (Dr. Thomauske), den Salzstock nur „hälftig“ zu erkunden, weil in einem großen Bereich die Salzrechte nicht vorlagen und auch nicht zu erlangen waren. Das ist bis heute so und betrifft vor allem Grundstücke der evangelischen Kirche und des Grafen von Bernstorff, die ihre Salzrechte nicht abtreten. In den 1990er Jahren kam deshalb die Idee auf, nur dort zu erkunden, wo man die Salzrechte hat. Dafür musste man aber die betreffenden Grundstücke umfahren und nahm gleichzeitig die Gefahr in Kauf, den Hauptanhydrit zu durchörtern oder zu verletzen.
Außerdem ging man einen weiteren entscheidenden Schritt: Thomauske (BfS) behauptete, eine Eignungsaussage könne man machen, auch wenn man nur einen Teil des Salzstocks kenne, indem man einfach die Ergebnisse des einen Teils auf den unbekannten Teil übertrage. In dieser Frage widersprachen ihm allerdings Prof. Röthemeyer und Gert Wosnik, beide damals ebenfalls im BfS. „Vor der Hacke ist es duster“, war die Begründung – es sei nie sicher, was einem in einem nicht erkundeten Bereich erwarte. Der Hauptanhydrit müsse in jedem Fall unbedingt gemieden werden. Thomauske setzte sich darüber hinweg und gab dem von Merkel geführten BMU seine Empfehlungen.
Langer nun sind diese Vorgänge schon bekannt, aber eine fundierte Aussage wie sich die BGR zu diesen Dingen damals verhalten habe, gibt er nicht. „Ich war mir des Risikos durchaus bewusst“, sagt er. „Für mich war das der entscheidende Punkt.“ Er meint wohl den Hauptanhydrit. Man habe aber eine gute technische Methode gehabt, den Hauptanhydrit zu lokalisieren und habe rechnerisch einen Abstand berechnet. 50 Meter seien das gewesen. Aber wann genau das geschehen ist, weiß er nicht mehr. Er bleibt im Ungefähren.
Dorothée Menzner hält schließlich Langer ein Dokument vom Juli 1997 vor, dem zu entnehmen ist, dass die BGR „im Zusammenhang mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle keine Öffentlichkeitsarbeit betreibt“. Warum das so gewesen sei, kann er aber nicht erklären. Er kann sich daran nicht erinnern. Im Gegenteil, die BGR habe ja ihre wissenschaftliche Arbeit diskutieren lassen müssen, also auch veröffentlichen, weiß er. Und sagt noch, im Gegensatz zu heute, habe die BGR damals nicht viele Presseanfragen gehabt. Wenn er sehe, was Herr Bräuer heute bei der BGR alles bearbeiten müsse… Auf die routinemäßige Nachfrage wie und durch wen er sich auf die heutige Sitzung vorbereitet habe, sagt er im Übrigen warmherzig: Seine ehemaligen Mitarbeiter in der BGR hätten ihm Unterlagen rausgesucht, „mindestens die halbe Abteilung von Dr. Bräuer“. Er selbst habe sich wirklich viel Zeit für die Vorbereitung genommen.