Rote Ampel für Gorleben
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- 25 Mai 2012
Der Geologe Jürgen Kreusch hat sich bereits vor 30 Jahren kritisch mit der Vorgehensweise in Gorleben auseinandergesetzt. Als auf einer Veranstaltung in Hitzacker 1982 der Projektleiter der PSE-Studien, Prof. Memmert, über seine Ergebnisse referiert, hat Kreusch diese Vorgänge bereits mit ihm bei mehreren Treffen diskutiert. Doch im Vorfeld der Entscheidung für die untertägige Erkundung wurde, so Kreusch bei seiner Zeugenvernehmung, „über die kritischen Punkte hinweggesehen“. Letztlich habe Memmert seine Ergebnisse als „relativ gut“ interpretiert. Doch eine ganze Reihe kritischer Punkte, die er und andere vorgebracht hatten, seien dabei überdeckt worden.
Kreusch fasst zusammen, dass die obertägigen Erkundungsergebnisse Anfang der 1980er Jahre nicht so positiv waren, wie man sich das vorgestellt hatte. Vor allem die schlechte Qualität des Deckgebirges habe einen Trend in Gang gesetzt, dem Salzstock selbst eine höhere Bedeutung als Barriere zu geben als dem Deckgebirge.
Diesen Bedeutungswandel habe er damals bereits kritisiert. Der heute 59-Jährige führt aus: Das Deckgebirge hat eine zweifache Schutzfunktion: einmal die Zurückhaltung von Radionukliden, sollten diese aus irgendwelchen Gründen austreten, und zum anderen der Schutz des Salzstocks vor Subrosion. „Wir haben in Gorleben eine nicht ganz kleine rezente Subrosion“, so Kreusch. Doch 1983 sei die Vorgängerin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), wohl der Meinung gewesen, man müsse sich nicht mehr mit dem mangelhaften Deckgebirge „herumschlagen“.
Keine Bewertungsmaßstäbe
An der Umdeutung des Deckgebirges sieht man beispielhaft, was einer der grundlegendsten Fehler in der Vorgehensweise war: Man hatte vorher keine Bewertungsmaßstäbe festgelegt. Die wissenschaftlich übliche Vorgehensweise, zunächst einmal Kriterien aufzustellen und dann die vorgefundene Situation an diesen Kriterien zu messen, hat nie stattgefunden.
Das Deckgebirge spielte dann später in der BGR-Salzstudie von 1995 dann aber doch noch einmal eine wichtige Rolle. Kreusch beurteilt diese Arbeit von Methode und Ansätzen her gut. Es war ihm nur nicht eingängig, weshalb man Gorleben (und zum Beispiel auch die ASSE) nicht untersucht hatte. Kreusch habe sich dann aber die Arbeit gemacht, Gorleben an den Kriterien der Salzstudie zu messen, was auch gut möglich sei, weil viele Daten vorliegen. Der Geologe ist eindeutig zu dem Ergebnis gekommen: nicht untersuchungswürdig. Anders als der Zeuge Paul Krull, der in einer mit Ampelfarben gekennzeichneten Liste Gorleben in nachhinein die Farbe Gelb gegeben hätte, ist Kreusch sich sicher: Gorleben hätte Rot bekommen. Dafür hat er auch Belege: Der Studie liegen drei Kriteriengruppen zugrunde: 1. die Kriterien zum Salzstock selbst: Größe, Aufbau usw. 2. Kriterien zur Nutzung: gibt es zum Beispiel Kavernen etc. und 3. Kriterien zum Deckgebirge. Bei seiner Untersuchung sei er davon ausgegangen, dass Gorleben die Kriterien von 1. und 2. erfüllt. Er habe dann nur die Kriterien zum Deckgebirge angelegt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Gorleben bei den einzelnen Unterkriterien jeweils ein schlechtes Ergebnis erzielt. Wenn aber eine der drei Kriteriengruppen ganz versagt, ist das Ergebnis eindeutig: nicht untersuchungswürdig.
Keine Alternativen
Von Dorothée Menzner (DIE LINKE) mit dem BGR-Argument konfrontiert, ein Vergleich mit Gorleben verbiete sich geradezu, weil der Erkenntnistiefgang zu unterschiedlich sei, erwidert Kreusch, das sei methodisch kein zulässiges Argument. „Es macht keinen Sinn, Gorleben aus der Untersuchung auszuklammern. Ich kann sogar Gorleben sehr gut bewerten.“
Es ging 1995 beileibe nicht darum, eine alternative Standortsuche zu beginnen. Im Gegenteil. Man wollte auf jeden Fall verhindern, dass überhaupt der Verdacht aufkommt, man könnte mit Gorleben nicht zufrieden sein. Denn genau das hätte nahe gelegen, wenn man Gorleben in die Salzstudie einbezogen hätte und die gleichen Maßstäbe für das Deckgebirge angelegt hätte wie für die anderen 41 untersuchten Salzstöcke. Gorleben wäre vermutlich nicht einmal unter die 14 „besseren“ Standorte gekommen - so hatte das auch bereits der Geologe Dr. Detlef Appel bestätigt.
Kreusch war auch Mitglied des AK End, der 2002 ein differenziertes Kriteriensystem für ein Auswahlverfahren entwickelt hat. Die Frage, ob Gorleben jemals an diesen Kriterien gemessen worden sei, verneint er. Allerdings sei das derzeit schlicht nicht möglich, weil es an Vergleichsstandorten mangle.
1997 hat man federführend durch Dr. Bruno Thomauske im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Entscheidung getroffen, dass eine Teilerkundung Gorlebens möglich sei. Man verzichtete fortan auf die Erkundung der Bereiche, bei denen die Salzrechte nicht vorlagen. Diese Entscheidung wurde sogar innerhalb des BfS kritisch gesehen, unter anderen von Prof. Röthemeyer und Gert Wosnik. Auch der Zeuge Kreusch ist der Ansicht, dass eine Eignungsaussage nur getroffen werden kann, wenn man den gesamten Salzstock untersucht. Ein Salzstock sei ein komplexes Gebilde, das aus verschiedenen Salz- und Gesteinsarten besteht, die teilweise kompliziert verfaltet sein können. Insofern gelte der Bergmannsspruch „Vor der Hacke ist es duster“ – auch eine Übertragbarkeit der Erkundungsergebnisse aus dem Nordosten auf den Südwesten sei nicht möglich, so Kreusch.