Im Dienste der Wirtschaft
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- 8 Oktober 2010
Vor dem Untersuchungsausschuss hat ein Professor aus Hamburg die Standortentscheidung Gorleben in Bausch und Bogen verdammt. Deutschland sei das einzige Land der Welt, das entgegen internationaler Erfahrung am Endlager-Wirtsgestein Salz festhalte
Wie mit einem Paukenschlag kanzelte Professor Eckhard Grimmel die Standortentscheidung Gorleben herab. Der Professor aus Hamburg sieht es als Fehlurteil, wenn man von offizieller Seite noch heute dem Salzstock Gorleben durchweg positive Eigenschaften für ein Atommüll-Endlager zuschreibt.„Solch ein Unsinn!“, so Grimmel.
Seit Jahrzehnten werde hier im deutschen Alleingang an einem Endlagermedium festgehalten, auf das kein anderes Land setze: Salz.
Kein Zeuge hat sich bislang vor dem Untersuchungsausschuss so dezidiert gegen ein Endlager in Gorleben und überhaupt gegen das Salz als Wirtsgestein für die Aufnahme von hochradioaktiven Abfällen ausgesprochen wie Grimmel. Es gebe nirgends positive Erfahrungen mit Salz, sagte er. Es gebe aber die negativen Erfahrungen in der Bunderepublik, nämlich mit der ASSE bei Wolfenbüttel und Bartensleben (eher bekannt als Morsleben), dem zu DDR-Zeiten eingerichteten Endlager. Beides Beispiele für havarierende Versuche von Endlagern im Salz. Auch in den USA habe man in New Mexico die Erfahrung von Laugenzutritten gemacht. Grimmel bewertet es als große Torheit hierzulande auf Salzstöcke gesetzt zu haben.
Auf Nachfragen durch DIE LINKE, insbesondere Dorothée Menzner und Jens Petermann, erklärte er, in Gorleben sei man ganz bestimmt nicht nach dem Stand von Wissenschaft und Technik vorgegangen, sonst hätte man sich ganz anders mit der Problematik auseinandersetzen müssen. Es habe keine Einsicht und keinerlei Lernfortschritt gegeben. In den USA sei man bereits in den siebziger Jahren vom Salz abgerückt. In den Niederlanden nur wenig später.
Erdgas ist K.O.-Kriterium
Im Grunde habe er das alles bereits bei diversen öffentlichen Anhörungen gesagt, zu denen er jeweils als Sachverständiger geladen war: 1980, 1984und 1988. Man brauche nur die alten Unterlagen hervorzuholen, alles habe noch Gültigkeit: Die Region Gorleben ist tektonisch und seismisch instabil. Das Deckgebirge über dem Salzstock ist wasserdurchlässig, es gibt also Grundwasserkontakt mit dem Effekt von Subrosion (Salzauflösung). Anhydritschichten durchziehen den Salzstock, die Gas und Wasser leiten können. Zudem birgt die Region Rohstoffpotenzial, nicht zuletzt das Salz selbst. Der gesamte Salzstock liege auf einer Antiklinalstruktur, in der grundsätzlich Erdgas zu erwarten ist. Für ein Atom-Endlager ist Erdgas sicherlich ein K.O.-Kriterium, erklärte er auf Nachfrage.
„Das ist so, als wenn Sie ein größeres Gebäude haben, bei dem das Dach kaputt ist. Aber an einer Stelle ist es noch heil und nun sagen Sie: da kann man ja noch etwas einbringen,“ erklärte Grimmel. So verhält es sich mit dem Salzstock Gorleben. Man versucht, die schwierigen Verhältnisse und Probleme rund um einen Kernbereich der potenziellen Einlagerungsstätte auszublenden.
CDU-Obmann Grindel hatte wenig Erfolg mit seinen Versuchen, den Sachverstand von Professor Grimmel in Abrede zu stellen. „Sie sind doch Geograph“, wollte Grindel dem Professor einen Strick drehen. Daraufhin erhielt er ersteinmal eine kleine Unterweisung. Ob er eigentlich wisse, was Geographie sei: Man spreche auch von der Geosystemwissenschaft, die das Zusammenwirken der verschiedenen Sphären untersucht, die Hydrosphäre, Lithosphäre und Biosphäre, um nur wenige Beispiele zu nennen. Dann versuchte es Grindel damit, wie er, Grimmel, mit seinen Ansichten allein stehe. Doch seit Galilei ist auch das kein wirkliches Mittel, um jemandem grundsätzlich Glaubwürdigkeit abzusprechen. Was der langjährig für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe tätige Gorleben-Befürworter Venzlaff von sich gebe sei „völlig abwegig“, so Professor Grimmel.
In der Folge ging dann viel darum, wer eigentlich die Fachleute sind, die seit Jahrzehnten daran festhalten, Gorleben „Eignungshöffigkeit“ zu bescheinigen. Und wie es sich eigentlich mit der Wissenschaftlichkeit verhält, wenn man in einer Behörde arbeitet, die einem Ministerium weisungsgebunden ist. Einer dieser Behördenmitarbeiter war der Geologe Gerhard Stier-Friedland, den der Ausschuss am Vormittag vernommen hatte. Ein farbloser Kandidat, der dem Ausschuss all das wieder auftischte, das sein langjähriger Vorgesetzter Röthemeyer, dem Untersuchungsausschuss bereits im Juli weiszumachen versucht hatte.
Laut Professor Grimmel habe es in den siebziger und achtziger Jahren ein merkwürdiges Geflecht aus politischen und wirtschaftlichen Interessen gegeben. Hinter den politischen Entscheidungen für Gorleben standen immer auch Wissenschaftler. So sei das eben mit dem magischen Dreieck aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Auch diese Einschätzung Grimmels könnte man in der Frage Atompolitik getrost auf heute übertragen.