EU-Initiative wendet sich gegen anspruchsvollen Lärmschutz an Flughäfen

Zur Gefährdung von bestehenden Nachtflugverboten durch EU-Gesetzgebung erklärt Sabine Leidig, Verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion "DIE LINKE" im Deutschen Bundestag:
„Die EU-Kommission hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der bestehende nationale Schutzbestimmungen und Gerichtsurteile z.B.  gegen Fluglärm aushebeln soll. Damit hätte die EU so weitgehende Möglichkeiten, dass gerichtlich bestätigte Nachtflugverbote aufgehoben werden könnten.
Wir lehnen diese Vorlage ab und haben im Verkehrsausschuss des Bundestages eine Auseinandersetzung mit dem Thema durch unseren Antrag vom 25.1.2012 angestoßen. Wir freuen uns, dass unsere Initiative jetzt auch von anderen Fraktionen aufgegriffen wurde.
Bestehende nationale Gesetzgebung mit Anforderungen an standortspezifische Lösungen darf nicht per Federstreich durch Eingriffe ersetzt werden, die nur der Flugverkehrslobby dienen.
Benötigt wird stattdessen ein grundlegend anderer Ansatz auf Basis der EU-Umgebungslärm-Richtlinie. Dort ist der Schutz aller Anwohner an europäischen Flughäfen festzuschreiben. Dazu gehören Grenzwerte und Kernruhezeiten für den Schutz der Nachtruhe sowie der Verpflichtung, eine Lärmminderungsplanung an allen Flughäfen einzuführen.
Wir brauchen eine europäische Gesetzgebung, die den Menschen in Europa dient und nicht den Konzernen und Lobbyisten!“

Eine kurze inhaltliche Einschätzung und mehr Infos zu den Anträgen im Bericht von Gerrit Schrammen.


Antrag der Fraktion DIE LINKE. zu Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2011)828 endg., Ratsdok.-Nr. 18010/11 hier: Stellungnahme gemäß Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit)

Antrag der Fraktion DIE LINKE. zu Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2011)828 endg., Ratsdok.-Nr. 18010/11 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes.

Siehe dazu auch die aktuelle Petition der Bundesvereinigung gegen Fluglärm: http://www.fluglaerm.de/bvf/petitionen/w_petition.php?id=2




EU-Initiative wendet sich gegen anspruchsvollen Lärmschutz an Flughäfen
Bericht aus dem Verkehrsausschuss und zum Hintergrund von Gerrit Schrammen, Verkehrsreferent der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Vielerorts an Flughafenstandorten sorgt man sich – völlig zu recht – um eine neue Initiative aus Brüssel, hierzu gibt es auch vermehrt Emails von Bürgerinitiativen. Deswegen hier eine kurze inhaltliche Einschätzung, mehr auch in den Anträgen (Download siehe oben).

Diese Initiative der EU-Kommission, der Vorschlag für eine Verordnung zum lärmschutzbedingten Betriebsbeschränkungen an Flughäfen, will auch, aber nicht nur, der EU-Kommission das weitgehende Recht einräumen, im Vorfeld geplanter, neuer sog. Betriebsbeschränkungen zum Lärmschutz, also auch bei Nachtflugverboten, diese überprüfen und sogar dauerhaft stoppen zu können. Einerseits stellen sich da viele rechtliche Fragen, insbesondere: können auch vom Bundesverwaltungsgericht festgelegte Nachtflugverbote von der EU aufgehoben werden?
Vor allem aber halten wir ein solch weitgehendes Eingriffsrecht für unnötig und in der Sache schädlich. Unnötig deswegen, weil die Einhaltung des EU-Rechts immer von der Kommission überwacht werden kann, daraus entstehen ja regelmäßig die entsprechenden Vertragsverletzungsverfahren. Schädlich deswegen, weil dadurch ein Rechtfertigungszwang entstehen würde, warum überhaupt Nachtflugverbote erlassen werden. Hier sind zudem umfangreiche Erläuterungen seitens der Flughäfen nötig, mit denen Beschränkungen begründet werden müssten.
Die ganze Verordnung hat eben nicht das Ziel mehr Lärmschutz zu erreichen, sondern steht im Zusammenhang mit dem sog. Luftverkehrspaket, dass sich um die Kapazitäten an Flughäfen sorgt. Ausführliche Einschätzungen finden sich in den beiden Anträgen!
Wegen unserer umfassender Kritik haben wir zwei Anträge in den Verkehrsausschuss des Bundestages eingereicht. Die Behandlung des Verordnungsentwurfs sollte am 25. Januar vertagt werden. Da aber in der nächsten Sitzung am 8. Februar die Frist für eine sogenannten Subsidiaritätsrüge* (8 Wochen nach Eingang beim Bundestag) abgelaufen wäre, haben wir eine solche Rüge als (ersten) Antrag eingereicht und darüber eine Debatte am 25.1. erzwungen. Die verlief sehr sachlich und wirklich positiv in unserem Sinne. Die SPD war und ist dabei wesentlich näher zu unserer Position als die Grünen, die aus grundsätzlichen Gründen (die mir aber auch nicht ganz klar geworden sind) Subsidiaritätsrügen ablehnen, beide haben sich aber bei diesem ersten Antrag enthalten.
Am 8.2. erfolgte dann die reguläre Debatte, zu der dann alle anderen Fraktionen Anträge eingereicht haben. Weil wir da nicht zurückstehen wollten, haben wir einen zweiten, grundsätzlicheren Antrag eingereicht.
Der Europaausschuss des Bundesrates hat übrigens am 7.2. eine offizielle Subsidiaritätsrüge* beschlossen! Die Koalition im Bundestag hat diese abgelehnt, aber einen „normalen“ Antrag beschlossen, der sich auch gegen diese Verordnung wendet, z.T. aber mit den falschen Argumenten, weswegen die gesamte Opposition diesen abgelehnt hat.
 

* Subsidiaritätsrüge meint in etwa, dass man der EU damit zu verstehen gibt, sie mischt sich in etwas ein, was nicht ihre Angelegenheit ist. Dieses Instrument wurde mit dem letzten EU-Vertrag neu eingeführt und stärkt damit die Rechte der nationalen Parlamente. (zurück in den Text)

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