Rekord-Ausdehnung von Ostsee-Todeszonen weiter ignoriert
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- 7 Juli 2014
- von Eva Bulling-Schröter
In der Ostsee werden Wasserzonen ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr zunehmend größer, verantwortlich sind Überdüngung und Klimawandel. Wie eine Kleine Anfrage der Linkspartei ergab sieht die Politik trotz Warnungen aus der Meeresökologie und Klimaforschung keinen Anlass ihr Engagement gegen die sog. Sauerstoffmangelzonen zu verstärken.
"Durch Sauerstoffmangel in der Ostsee ist kein Bestand mariner Fische verendet", vermerkt das Bundesumweltministerium in seiner Antwort. Allerdings würde künftiger Fischbestand durchaus beeinträchtigt: "Sauerstoffmangel hat also auf den vorhandenen Laicherbestand und damit die jetzigen Fischereimöglichkeiten wenig Einfluss, wohl aber auf den zukünftigen Ertrag". Zudem seien die Möglichkeiten einer direkten Begrenzung der "Todeszonen" schlicht nicht gegeben, so das Ministerium: "Es gibt keine kurzfristigen oder direkten Möglichkeiten, die Folgen des Auftretens sauerstoffarmer Wasserkörper auf die Fischbestände zu mitigieren." Erfolgversprechend sei vor allem der Weg über eine Begrenzung des Düngemitteleintrages, kündigte die Bundesregierung eine Novellierung der Düngemittelverordnung an.
Zeit zu handeln tut not. Denn die aktuelle Entwicklung in der Ostsee durchaus besorgniserregend. Einer jüngsten Langzeitstudie zufolge gingen die Sauerstoffmangelzonen im Binnenmeer von 1974 bis 993 zunächst auf das Niveau von 1931 zurück, was mit einem verstärkten Wasser- und Sauerstoffaustausch zwischen Ostsee und Nordsee in Verbindung steht. Seit dem Jahr 1993 aber sind die „Todeszonen“ der Studie zufolge auf ein historisches Hoch angestiegen.
Die Sauerstoffmangelzonen haben sich von einer Fläche von 5 000 Quadratkilometern vor 110 Jahren auf derzeit 60 000 Quadratkilometern verzehnfacht. Auch ist die Wassertemperatur in den untersuchten Gebieten in den letzten 115 Jahren um 2 Grad Celsius gestiegen, was die Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff durch das Wasser verringert.
Zu wenig sei es nur auf bestehende Programme für Meeresschutz hinzuweisen, denn diese reichten schlechterdings nicht aus, so die Politikerin zu KSN. Zuletzt 2007 verabschiedeten die Anrainerstaaten der Ostsee einen Ostseeaktionsplan, um die Wasserqualität zu verbessern und den Stoffeintrag zu reduzieren. Der Sauerstoffverlust der Meere in Küstennähe und auf dem offenen Meer ist ein weltweites Problem. Sinkt der Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser unter 2 Milligramm pro Liter ab, wird es für Fische und die am oder im Meeresboden lebenden Tiere (Makrozoobenthos) lebensbedrohlich, insbesondere dann,wenn diese Bedingungen über einen längeren Zeitraum bestehen und sichinfolge mikrobieller Prozesse (Sulfatreduktion) das Faulgas Schwefelwasserstoff (H2S) bildet. Für sauerstoffatmende (aerobe) Tiere ist es ein äußerst starkes Zellgift, das zu einem größeren Tiersterben am Meeresboden führen kann, berichten Umwelt-Behörden in Schleswig-Holstein schon 2012.
Die Antwort der Bundesregierung zeigt klar, dass die Große Koalition die Hände weiter fahrlässig in den Schoß legt. Trotz anhaltender Warnungen von Meeresökologie und Klimaforschung wird die kaputte Umwelt vor der eigenen Haustür stillschweigend hingenommen.