Deutsche Bahn: Alternativer Geschäftsbericht
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- 23 Juni 2011
- von Dominik Fette
Schonungslose Kritik an der von der Deutschen Bahn AG präsentierten Bilanz: Statistische Tricks bei der Leistung, Fahren auf Verschleiß, Fehlinvestitionen und Verschwendung, Gewinne nur aus Steuergeldern und die Ausrichtung als Global Player kommt den Fahrgästen nicht zugute...
Der alternative Geschäftsbericht Deutschen Bahn 2010 ist jetzt als Sondernummer der Zeitschrift Lunapark21 erschienen und für 4€ im Zeitschriftenhandel - insbesondere in den Bahnhofsbuchhandlungen - erhältlich. Er wird herausgegeben von Bahn für Alle, Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB), PRO BAHN Berlin/Brandenburg, Anton Hofreiter (MdB Die Grünen) und Sabine Leidig (MdB DIE LINKE).
Aus dem Editorial: "Wer die Bahn liebt, muss die Deutsche Bahn kritisieren. Wer für eine Bahn der Zukunft eintritt, muss die Behauptung, die Alternative zur Deutschen Bahn sei die Privatisierung – oder seien „viele kleine private Bahnen“ – als fatalen Irrtum erkennen. Siehe die Geschichte der US-Eisenbahnen. Siehe Großbritannien heute. Siehe die Rückverstaatlichungen in Neuseeland und Estland. Insofern steht bei dem Alternativen Geschäftsbericht Deutsche Bahn die Kritik an den KAPUTTMACHERN im Zentrum. Diese Kritik wird auch konstruktiv gewendet. Wir machen MUT. Wir laden zum MITMACHEN ein."
Eine andere Bahn ist möglich!
Vorwort von Sabine Leidig
Die Bahn der Zukunft könnte das Rückgrat sein für den sozialökologische Umbau von Verkehr und Mobilität – wenn sie als gemeinwohlorientiertes Unternehmen darauf ausgerichtet wäre. Statt dessen ist die DB als Aktiengesellschaft aufgestellt worden, in einer Zeit (1994), als die Börsenberichte gerade Einzug gehalten hatten in die Tagesschau und das Heilsversprechen der Marktwirtschaft eine neue Blüte erlebte. Mit dem Beschluss, die DB AG zumindest teilweise an private Investoren zu verkaufen, hat die Bundesregierung diesen Kurs 2008 noch bekräftigt.
Im Ergebnis finanziert die Allgemeinheit einen „Global Player“, der der öffentlichen Kontrolle und demokratischen Steuerung entzogen ist. Es ist eine geradezu absurde Konstellation: Der Vorstand des Konzerns (Manager aus der Automobil- oder Flugzeugindustrie) präsentiert bei der Bilanz-Pressekonferenzen Gewinne bei DB-Regio und DB-Netz von 1,78 Milliarden Euro. Aber in diese Unternehmensbereiche sind rund 7,7 Milliarden Euro öffentliche Zuschüsse geflossen!
In diesem alternativen Geschäftsbericht werden die Auswirkungen dieser falschen Weichenstellung konkret aufgezählt und anschaulich erläutert – wer sehen will, kann sehen! Und für diese Arbeit (die eigentlich von den hochbezahlten Beamten im Verkehrsministerium zu leisten wäre) gebührt den Autoren vom Bündnis Bahn für Alle großer Dank.
Spätestens mit der Finanzmarktkrise 2008/2009 wurde der Glaube an die Märkte zu Recht tief erschüttert. Und es ist kein Zufall, dass derzeit eine Welle von Re-Kommunalisierung beobachtet werden kann: Vielerorts kaufen Städte die Energieunternehmen, die Wasserwerke, die Müllentsorger oder die Parkraumbewirtschaftung wieder zurück, die vor Jahren privatisiert worden sind. Warum? Weil sich gezeigt hat, dass ein öffentliches Gut auf kapitalistische Weise schlecht bewirtschaftet wird und weil die Bürgerinnen und Bürger dabei draufzahlen.
Es ist höchste Zeit, auch die Bahn zu „re-kommunalisieren“, also unseren Schienenverkehr nicht länger als kapitalistisches Geschäft zu betreiben. Die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist der Meinung: Die Bahn ist keine Ware. Sie soll nicht an die Börse, soll auch nicht teilweise verkauft werden und ist nicht als kapitalistisches Geschäft zu betreiben. Aber niemand wünscht sich eine schlafmützige, dirigistische Obrigkeitsstaatsbahn.
Es geht um etwas anderes. Um etwas Neues. Es geht darum, eine demokratische Bahn der Zukunft aufs Gleis zu setzen: Als Bürgerbahn mit dezentralen Strukturen, die Fahrgäste, Bevölkerung und Beschäftigte in Entscheidungsprozesse einbezieht; als Flächenbahn, die den Mobilitätsbedürfnissen der großen Mehrheit gerecht wird; als Klimaschutz-Bahn, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewinnt; als Sozialbahn, die dafür sorgt, dass Mobilität kein Privileg der Bessergestellten ist; als Gute-Arbeit-Bahn, die noch mehr gesellschaftlich sinnvolle Arbeitsplätze bietet; als Europabahn, die Anschluss und Zusammenarbeit mit den Eisenbahnunternehmen der Nachbarländer sucht.
Es steht zu hoffen, dass nach der Kampagne gegen den Börsengang der Bahn und im Angesicht der beeindruckend klugen Protestbewegung gegen Stuttgart21, kraftvolle Initiativen entstehen, die eine andere Bahn möglich machen, die wir dringend brauchen.
Sabine Leidig, MdB · Verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. · Mitglied in der Enquête-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“