Länderöffnungsklausel für Abstandsregeln bei Windkraft gefährdet Energiewende
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- 28 Mai 2014
- von Eva Bulling-Schröter
Abstandsregeln für Windräder sind wichtig, dürfen aber die Energiewende nicht gefährden. Dieses Fazit zieht Eva Bulling-Schröter nach einer kontroversen Experten-Anhörung des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag. Der Koalitionsvertrag der Großen Koaltion sieht für die Windenergie an Land vor, eine Länderöffnungsklausel in das Baugesetzbuch (BauGB) einzuführen, die länderspezifische Regelungen für Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnnutzungen ermöglicht.
"Diese Vorgabe trägt angesichts der gewachsenen Gesamthöhe von Windenergieanlagen sowohl dem Umstand Rechnung, dass die Akzeptanz von Windenergieanlagen vielfach von der Entfernung solcher Anlagen zu Wohnnutzungen abhängt, als auch dem Umstand, dass sich die Ausgangslage in den einzelnen Bundesländern – auch aufgrund der topographischen Verhältnisse – unterscheidet", erklärt der Gesetzesentwurf von SPD und Union die Problematik, zu dem der Umweltaussschuss am 21.05.2014 Experten zur Diskussion geladen hatte.
Die Politik darf die oftmals berechtigten Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger wegen geplanter Windkraftanlagen natürlich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Verantwortung für ein Gelingen der Energiewende darf nicht, wie es die Bundesregierung derzeit tut, auf die Länder abgewälzt werden. Dies führt zu regionalen Ungleichgewichten beim Ausbau von Windkraft oder gar zum teilweisen Erliegen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über Regelungen für Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Gebäuden will über Änderungen im Baugesetzbuch eine Klausel einfügen, die länderspezifische Planungen ermöglicht. Das O und A der Energiewende ist mehr Bürgerbeteiligung. Windparks oder einzelne Windenergieanlagen können von Anwohnern wegen Lärm, Schattenwurf oder aus Geschmacksgründen als störender Eingriff in ihre Lebensqualität empfunden werden. Diese Sorgen müssen ernst genommen werden. Darum muss über breite Beteiligungsverfahren in der Raumplanung so viel Bürgerbeteiligung wie möglich erreicht werden.
Die geplante Länderöffnungsklausel wurde bei der Anhörung von allen Experten, außer den Vertretern der Windkraftgegner, abgelehnt. Die Gefahr die gesehen wurde ist die, dass die Regelung durchs Hintertürchen zum Abwürgen der Windenergie führen könnte. Die Experten nannten die Länderöffnungsklausel unnötig und verfassungswidrig. Außerdem warnten sie vor einer Gefährdung der Energiewende. Denn anders als von der Bundesregierung beabsichtigt könnte eine Länderöffnungsklausel die Akzeptanz von Windkraftanlagen bei der Bevölkerung nicht etwa erhöhen, sondern im Gegenteil diese deutlich verringern. Ihr Argument: Weil sich einzelne Bundesländer ganz aus der Nutzung von Windkraft verabschieden würden müssten andere Regionen künftig die Lasten der Windenergie tragen, warnte etwa Hilmar von Lojewski von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vor einem Windräderabstands-Wettbewerb zwischen den Ländern.
Franz Josef Tigges vom Bundesverband WindEnergie e.V. sprach von einem "Bärendienst" für die Energiewende und kritisierte die bayerische CSU für ihre Mindestabstandsregel von zwei Kilometern zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauungen. Die dadurch erzielte Reduzierung der verfügbaren Flächen für den Ausbau der Windenergie würde den Windkraft-Ausbauzielen der Bundesregierung widersprechen. Herbert Barthel vom Bund Naturschutz Bayern e.V. forderte die Bundesregierung auf den Gesetzentwurf zurückzunehmen. Neben einer Gefährdung von Energiewende und Atomausstieg sah der von Die Linke geladene Experte den Umweltschutz in Gefahr. Denn die Vorgaben für einen hohen Abstand von Windenergieanlagen zu Gebäuden könnte Windparks in Naturschutzgebiete verdrängen. Tine Fuchs vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und Professor Ulrich Battis von der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz äußerten darüber hinaus rechtliche Probleme. Neue Regelungskompetenz der Länder greife in die kommunale Planungshoheit gemäß Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes ein: Bislang sind es allein Städte und Gemeinden, die für Gemeindegebiet die Standorte für Windenergieanlagen vorgeben und Abstände zu Wohngebäuden bestimmen. Darum würden Klagen vor Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht absehbar.
Drei Vertreter von Anti-Windkraft-Bürgerinitiativen erklärten, dass "jede weitere Windkraftanlage unsinnig" sei. Für Markus Pfitsch von der Bundesinitiative Vernunftkraft mit 362 Bürgerinitiativen sind Winräder eine "Verschandelung der Landschaft", den Ausbau geisselte er als "Vernichtungsfeldzug gegen dörfliche Gemeinschaften". Windkraftanlagen würden die Lebensqualität in der Wohnumgebung verringern und der Gesundheit der Bewohner durch Lärm und Infra-Schallwellen Schaden zufügen. Jenner Zimmermann von der Bürgerinitiative "Keine neuen Windräder in Crussow" sprach von "Dauerlärmbelastung, Schattenwurf und Infraschall", darum sei die Mindestabstandsregel der Bundesregierung "ein dringend notwendiger Schritt in Richtung Schutz des Menschen".
Zur Erreichung der Klimaziele gegen die voranschreitende globale Erwärmung ist die saubere, langfristig preiswerte und arbeitsplatzschaffende Windenergie ohne Konkurrenz. Natürlich darf die Energiewende nicht auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger gehen. Wenn aber einzelne bei der Anhörung geladene Experten den energiepolitischen Rückschritt zu Kernkraft fordern, wird deutlich, wie schamlos Vertreter der Atomkraft-Industrie Ängste der Bürger für ihre Interessen instrumentalisieren. Auch die Politik darf Sorgen nicht ausnutzen, wie zuletzt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der mit seinen Angriffen auf Windkraft und der 10H-Regelung der Energiewende einen Bärendienst erwiesen hat.