Ungleiche Ex-Kollegen - Zwei Geologen vor dem Untersuchungsausschuss Gorleben

Zwei Geologen wie sie unterschiedlicher kaum hätten reden können über den berühmtesten Salzstock Deutschlands sagten am gestrigen Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss Gorleben aus. Der erste Zeuge, Siegfried Keller, ist als Geologe seit 30 Jahren beschäftigt bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und so vollkommen unerschütterlich in seiner Überzeugung, dass nichts gegen den Salzstock Gorleben spreche, wie es der Untersuchungsausschuss nun schon mehrfach durch Wissenschaftler aus diesem Haus vorgeführt bekam. Diese Leute scheinen den Zweifel nicht zu kennen – und das macht sie in ihrer augenscheinlichen Harmlosigkeit ein bisschen unheimlich. Ist doch die Fähigkeit zu Skepsis, zur Ungläubigkeit und die Eigenschaft, immer neue Fragen zu stellen, immer neue Ungewissheiten zu haben, doch gerade das, was Wissenschaftlichkeit eigentlich ausmacht.

Der andere, Kellers Counterpart an diesem Tag, ist der Geologe Ulrich Schneider: Er war in den Anfangsjahren der Erkundung wichtigster Mitarbeiter bei Professor Duphorn, der mit seiner „Quartärgeologischen Gesamtinterpretation“ die ersten wichtigen Negativbefunde zum Salzstock erarbeitet hatte. Die Ergebnisse dieses Gutachtens vom Januar 1983 hatte Schneider zum Teil mitverfasst. Keller und Schneider waren als Berufsanfänger damals sogar einige Monate lang Kollegen – als Honorarkräfte bei der BGR. Bis BGR-Chef Venzlaff, der zuvor eine scharf zurückweisende, zum Teil diskreditierende Stellungnahme zum Duphorn-Gutachten verfasst hatte, eines Tages zu Schneider sagte: "Sie sind ein guter Geologe – aber auf eine feste Stelle bewerben brauchen Sie sich bei uns nicht."

Keller hingegen bekam aus dem Haus der BGR großzügige Unterstützung bei seiner Promotion – eine bewährte Strategie, sich die Dankbarkeit und Loyalität von Mitarbeitern zu sichern. Die Rechnung ging auf: bis heute steht Keller bei der BGR im Dienst und veröffentlicht Berichte zur Langzeitsicherheit von Endlagern. Wenn er aber gezielt angesprochen wird – etwa auf Gasvorkommen innerhalb oder unterhalb des Salzstocks -, dann ist er plötzlich nicht mehr zuständig, lediglich Hydrogeologe, der sich mit Gas nie intensiv befasst hat. Was ihn nicht davon abhält, eine mögliche Gaslagerstätte unterhalb des projektierten Endlagers für unbedenklich zu halten: Schließlich sei eine Gaslagerstätte keine Gaslagerstätte, wenn das Gas da herauskäme.

Schneider indessen hält es für längst erwiesen, dass sich der Salzstock Gorleben als Atommülllager nicht eignet: zu den damals bekannten Negativbefunden sind etliche hinzugekommen – allen voran das Gas. Zwar hat man sich auch damals schon mit dem Gas beschäftigt, vor allem seit die Schachtvorbohrungen Go 5001 und Go 5002 auf unerwartet große Gasvorkommen gestoßen sind. Doch die detaillierten Analysen und Berichte zum Gas sind offensichtlich nicht in den PTB-Bericht eingeflossen, auf dessen Grundlage das Kabinett Kohl die untertägige Erkundung Gorlebens beschloss. Hätte man schon damals das Problem ernst genommen, Gorleben wäre vielleicht nicht weitererkundet worden, weil das Gas offenbar überall in kleinen oder größeren Einschlüssen vorhanden ist.

Die damals von Professor Duphorn und seinem Team erstmals so thematisierte Problematik, dass in Gorleben ein intaktes Deckgebirge fehle, das eine wichtige Barrierefunktion für Radionuklide hat – weist Keller bei seiner Vernehmung einfach zurück. Ein Deckgebirge habe schlicht keine große Bedeutung für die Langzeitsicherheit, weil das Salz allein als Barriere ausreiche. Im übrigen würde im Laufe von vermutlich etwa zehn Eiszeiten, die in den kommenden eine Million Jahren über Norddeutschland hinwegfegen bei vermutlich keinem der Salzstöcke ein solches Deckgebirge standhalten. Warum man dann noch nicht auf die Idee gekommen ist, etwa südlich des Harzes nach einem Endlager zu suchen, wo Eiszeiten keine solche verheerende Wirkung haben, kann Keller allerdings nicht erklären. Er hat sich ja immer nur mit Gorleben und den norddeutschen Salzstöcken beschäftigt.

In seinem klaren und pointierten Eingangsstatement rückt hingegen Schneider einiges zurecht: Professor Venzlaff habe 1983 erklärt, die breite Öffentlichkeit hätte ein Recht darauf, korrekt über Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen informiert zu werden. Doch warum, fragt Schneider, sei  die Öffentlichkeit dennoch nicht  darüber informiert worden, dass man schon 1977 von Erdgas unter dem Rambower Teil des Salzstocks wusste, warum sei sie nicht informiert worden, dass die Schachtvorbohrung 5001 wegen starker brennbarer Gaszutritte zuletzt sogar abgebrochen werden musste. Schneider fragt, weshalb weder im PTB-Zwischenbericht von 1983 all die Kenntnisse, die man über das Gas hatte, auftauchten und sogar in einem BGR-Bericht von 2007 Gase aus tieferen Schichten im Salzstock nicht erwähnt werden.

Gerade in Bezug darauf, was schon 1983 unbedingt in den PTB-Zwischenbericht hätte einfließen müssen, ist der Untersuchungsausschuss an diesem schneeverwehten Dezember-Donnerstag der Wahrheit ein beträchtliches Stückchen näher gekommen.

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