Der Bund plant eine Bundesfernstraßengesellschaft – Stand der Dinge

Ist die Bundesfernstraßengesellschaft erst mal vom Tisch? Die Pläne des Bundes, zumindest die Autobahnen in einer eigenen Gesellschaft zu bündeln und die Länder dadurch zu „entmachten“, ist vermutlich erst mal vom Tisch – aber nur für diese Legislaturperiode. Zum einen waren sich die drei Ministerien für Verkehr, Wirtschaft und Finanzen untereinander nicht einig, zum anderen haben sich die Länder anders als bei den Regionalisierungsmitteln nicht vom Bund über den Tisch ziehen lassen und eine Kommission, erneut unter Vorsitz des früheren Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig, ins Leben gerufen. Diese hat am 23. Februar umfassende Änderungsvorschläge für eine Reform der sog. Auftragsverwaltung – anstelle der geplanten Abschaffung – unterbreitet. Die Linksfraktion hat sich von Anfang an vehement gegen eine Bundesgesellschaft ausgesprochen, weil diese maßgeblich auch deshalb vorangetrieben wurde, um noch mehr im Straßenbau zur privatisieren. Offen steht dem Bund allerdings vermutlich die Möglichkeit, eine eigene reine Finanzierungsgesellschaft zu gründen, die dann auch Privatkapital akquirieren kann.
Mehr dazu in diesem Artikel. Und mehr Informationen zu Privatisierung, insbesondere auch im Straßenbau bei "Gemeingut in BürgerInnenhand".

 

Wegen der bereits „wabernden“ Diskussionen und Gerüchte hatte die Fraktion DIE LINKE im Oktober 2015 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit dem wir die sofortige Einstellung aller Pläne für eine Gesellschaft für die Bundesfernstraßen fordern (Unser Antrag gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft).

Während die Pläne der Bundesregierung zum Zeitpunkt des Einbringens unseres Antrages noch im vagen lagen, sagt die Bundesregierung mittlerweile ganz offen, DASS und teilweise auch WIE sie eine Gesellschaft für die Bundesfernstraßen gründen möchte. Die Auftragsverwaltung, bei der die Länder, im Grundgesetz festgelegt, die Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen) selbst verwalten, betreiben und ausbauen, soll abgeschafft werden, eine Grundgesetz-Änderung ist also erforderlich. Bislang hat der Bund die Rechts- und Fachaufsicht und muss letztlich alles genehmigen. In der Ausschussdrucksache 18(15)287 legt die Bundesregierung ihre Eckpunkte dar und begründet, warum die Auftragsverwaltung aus ihrer Sicht "gescheitert" ist und durch eine eigenständige Verwaltungsstruktur des Bundes ersetzt werden soll. Dieses Vorhaben soll bis 2020 abgeschlossen sein, so der Parlamentarische Staatssekretär Barthle in der Fragestunde am 24.2.2016 (Wie, ist völlig unklar, so geht die Bodewig-Kommission von einem Umsetzungs- und Übergangszeitraum von 10 Jahren aus!).

Gleichzeitig wurde aber deutlich, dass es über die Eckpunkte hinaus noch keine endgültig abgestimmte Position der Bundesregierung hierzu gibt. Zwei Tage später benannte Staatssekretär Machnig (BMWI) bei einer Veranstaltung von Friedrich-Ebert-Stifunt und Deutschen Gewerkschaftsbund zum Thema zwei Dissenspunkte: die Frage, ob diese Gesellschaft eine Anstalt des öffentlichen Rechts sein soll (SPD), oder eine privatrechtlich organisierte (Union), und ob sie lediglich die Autobahnen umfassen solle (Union), oder auch die Bundesstraßen (SPD).

Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Minister Pegel aus Mecklenburg-Vorpommern, sagt dazu: wenn wir schon so schlecht sind, warum dürfen wir dann bei den Bundesstraßen weiter dillettieren? Und, wie wir auch in unserem Antrag argumentierten: Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes und Deutsche Bahn AG - die beide ständig ihre Mittel nicht verbauen können - sind nicht gerade Vorbild für die Behauptung, der Bund könne es besser als die Länder..

Auf Seiten des Bundes scheint es drei Motivationen für diese Gesellschaft zu geben, die sich irgendwie vermengen und evtl. am Ende eine unheilige Allianz eingehen könnten:

1. Die Verkehrspolitiker bemängeln - durchaus zu Recht - dass die Länder letztlich aus dem viel zu großen Fundus des alten (wie auch des neuen) Bundesverkehrswegeplanes auswählen können, welche Projekte sie realisieren, in dem sie Planung und Bau vorantreiben. Der Bund kann zwar anweisen, das ist aber sehr schwierig und die Länder "bocken" dann dennoch weiter. Der Bund möchte nun - laut Koaltionsvertrag und auch laut Grundkonzeption für die Bundesverkehrswegeplanung - stärker priorisieren und die aus seiner Sicht vorrangingen Projekte realisieren. Das ging bisher nicht, und ohne substanzielle Änderungen wird das wohl auch zukünftig nicht gehen.

2. Die Schaffung von Anlagemöglichkeiten für privates Kapital, insbesondere für die „armen“ Versicherungen, die ihr Geld nicht mehr zinsbringend anlegen können. In der Beziehung liegt Staatssekretär Machnig wieder klar auf Linie, in dem er Straßen mit den Energienetzen verglich, wo eine Rendite garantiert wird. Da sind es aber private Netze, die zudem ausgebaut werden müssen, während die Straßen bekanntlich öffentlich sind und es zudem vor allem um den Erhalt geht. Die Grundlage für diese Überlegungen wurden mit der Fratzscher-Kommission des Bundeswirtschaftsministeriums gelegt.

3. Straßen raus aus dem Bundeshaushalt und / oder aus dem Maastricht-Kriterium – so wie bei der österreichischen Straßengesellschaft ASFINAG. Letzteres würde den Verschuldungsspielraum des Bundes trotz Schuldenbremse erheblich ausweiten. Wer, also welches Ministerium genau welche Motivation hat und in welcher Variation, ist mir immer noch nicht klar, weil es dazu widersprüchliche Aussagen von „Insidern“ gibt. Die neueste Aussage vom Bundesfinanzministerium vom 15. März d.J. jedenfalls ist, dass es keinen Schattenhaushalt geben soll, die Gesellschaft also nicht außerhalb der Schuldenbremse stehen sollte. Das bedeutet wiederum, dass eigentlich nichts gegen eine Staatsgarantie spricht.

Fakt ist jedenfalls, dass die Länder mittlerweile in der Vorderhand liegen, sie haben am 23.2.2016 auf einer Sonder-Verkehrmsinisterkonferenz einen (weiteren) Bericht einer Kommission unter Vorsitz von Kurt Bodewig beschlossen und einstimmig Empfehlungen verabschiedet. Die Länder bieten darin dem Bund einiges an, lehnen aber eine Grundgesetz-Änderung mit dem Ende der Auftragsverwaltung vehement ab. Was die Länder anbieten ist eine Art Besteller-Prinzip, der Bund solle also durchaus bestimmen dürfen, was gemacht würde, die Länder hatten dann aber (mehr) Freiheit, dies umszusetzen. Insbesodnere die bisher erforderlichen sog. "Gesehen-Vermerke" (durch Bund) verzögerten Planungen teilweise um bis zu 30 Monate. Diese Reform der Abläufe verbindet die VMK leider mit dem Vorschlag einer sog. "Kapitalsammelstelle", die auch offen für privates Kapital sein kann.

Dafür fordern die Länder quasi im Nebensatz, dass der Bund ihnen dann auch bitteschön ALLE Planungskosten erstatten soll, bislang werden hierfür nur 3% der Baukosten erstattet, tatsächlich dürften es aber ca. 15-20% der Baukosten sein. Wenn der Bund dies durch eine eigene Gesellschaft machen würde, müsste er auch dann alle Kosten selber übernehmen.

Unsere Kritik an der geplanten Gesellschaft richtet sich insbesondere dagegen, dass eine wesentliche Motivation ist, die Beteiligung privaten Kapitals zu erleichtern und auszuweiten. Jetzt braucht der Bund noch die Länder, um ÖPP durchführen zu können - wobei diese mit Nicht-Anrechnung auf die Länderquote schon so gelockt werden, dass man von einem unmoralischen Angebot sprechen kann. Wenn aber ein Land nicht mitmachen will, muss angewiesen werden, dass ist sehr mühsam. Und das entfällt eben, wenn es eine Bundesgesellschaft ist. Die kann dann so viel ÖPP machen, wie sie möchte. Eine direkte Beteiligung privaten Kapitals an der Gesellschaft selber würde die SPD wohl - so hoffen wir - nicht mitmachen. Aber das ist nur ein schwacher Trost. Denn eine spätere Änderung wäre jederzeit möglich.

Dabei gibt es mit dem Investitionshochlauf des Herrn Dobrindt gar keinen Grund mehr, privates Kapital zu beteiligen, denn jetzt steht so viel Geld zur Verfügung, wie die Straßenbaulobbyisten immer gefordert haben (das Problem sind jetzt mehr die begrenzten Planungskapazitäten, damit das Geld auch verbaut werden kann). Außerdem kann sich der Staat Geld zum Nulltarif leihen. Wieso soll man da höhere Zinsen auf privates Kapital zahlen – wie es der Plan des Wirtschaftsministeriums ist und es eben (rechnerisch) bei den Energienetzen der Fall ist? Ökonomisch macht das keinen Sinn, sondern es würde nur den Versicherungen und anderen Kapitalanlegern helfen.

Außerdem kritisieren wir, dass - obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass die Auftragsverwaltung zusammen mit den Ländern reformiert werden sollte, es die Bundesregierung mit der Brechstange bzw. dem Geldbeutel versucht hat, die Länder „zu kaufen“. Die Kritik an der Auftragsverwaltung - auch vom Bundesrechnungshof - kennen wir natürlich. Wir teilen sie sogar - zumindest in Bezug auf die Frage, was wird geplant und gebaut. In einer Anfrage zur Bilanz des Bundesverkehrswegeplanes 2003 haben wir herausgefunden, dass von den Projekten mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) kleiner als 3 prozentual mehr realisiert wurden als von denen mit einem NKV über 8! Weil den Ländern eben die Ortsumfahrungen in X und Y und Z wichtiger sind als der Autobahnausbau…

Der Verkehrsausschuss führt zu unserem Antrag am 13. April 2016 ab ca. 11.00 Uhr eine öffentliche Anhörung durch!