Kuscheln, verzögern, betrügen: Zum Abgas-Skandal von VW – und vermutlich der gesamten Autoindustrie
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- 28 September 2015
- von Dominik Fette
VW programmierte die Software für die Abgasnachbehandlung von Millionen Fahrzeugen so, dass diese im normalen Fahrbetrieb um das bis zu 40-fache an Abgasen in die Luft pusteten, als unter Testbedingungen. Dies ist ein besonders schwerer Fall des systematischen Betrugs und ein massiver bewusster Beitrag zur Luftvergiftung und zur Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschädigung. Eine ähnliche Manipulation bei anderen Herstellern erscheint mehr als denkbar, weil Abweichungen der Abgaswerte im Fahrbetrieb schon seit Jahren nachgewiesen werden. Es ist zudem ein Skandal, dass diese Abweichungen, die Manipulationen zumindest sehr nahe legen, auch der Bundesregierung schon seit Jahren bekannt waren und trotzdem von den nachgelagerten Behörden (z.B. dem Kraftfahrtbundesamt) nicht kontrolliert/überprüft wurden. Die Verflechtungen zwischen Autoindustrie und Bundesregierung durch Seitenwechsler wie Wissmann (VDA), Steg (VW) und von Klaeden (Daimler), durch den direkten Zugang zum Kanzleramt sowie Parteispenden legen nahe, dass hier eine völlig falschverstandene Rücksicht genommen wurde. Fehlende Kontrollen und das Bewusstsein bei der Autoindustrie, dass man sie gewähren lässt, haben diesen Skandal erst möglich gemacht.
Sabine Leidig, Caren Lay und Herbert Behrens haben dazu ein 5-Punkte-Sofortprogramm vorgelegt und die Linksfraktion wird dazu in Kürze einen Antrag in den Bundestag einbringen.
Der direkte Zugang der Autoindustrie zur Bundesregierung zeigte sich – wie schon 2013 – auch in den Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Linksfraktion: Rund 150 Mal kamen zwischen November 2013 und Sommer 2015 Vertreter der Autoindustrie (Konzerne und VDA) mit Kanzlerin, Ministern und Staatsekretären zusammen. Allein Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel trafen sich 23 Mal mit der Autoindustrie.
Material und Hinweise auf interessante Artikel/Sendungen
- Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Linksfraktion „Verkehrs- und Baupolitik der Bundesregierung und Beziehungen zu verschiedenen Interessengruppen“ auf Drs. 18/5571 und Drs. 18/5990 (Nachfrage zu Treffen mit Verbänden).
- Pressemitteilungen von Caren Lay (22.9. 2015), Herbert Behrens (23.9. 2015) und Sabine Leidig (24.9. 2015)
- Spiegel-Online: „Manipulierte Abgasanlagen: VW soll schon vor Jahren gewarnt worden sein“
- Bundesregierung wusste schon 2014 von 7-facher Überschreitung der Grenzwerte im realen Fahrbetrieb: Schreiben der Europäischen Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren betreffend Luftreinheit macht viele Versäumnisse der Bundesregierung deutlich (siehe vor allem S. 13f).
- 27.9. 2015 auf n-tv: "Das ist unanständig" Berlin blockiert neue EU-Abgastests
Im Zeichen des Abgasskandals bei VW sollte die Bundesregierung eigentlich neue Tests in der EU vorantreiben. Doch Berlin steht auf der Bremse. Laut einem Papier der zuständigen Arbeitsgruppe will sich die mächtige deutsche Autolobby Schlupflöcher sichern. - Pressemitteilungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH):
25.9. 2015: „Keine Antwort von VW und AUDI auf die Fragen zur Umgehung von Abgasvorschriften“
24.9. 2015: „Deutsche Umwelthilfe geht von illegalen Abgasmanipulationen bei vielen Millionen Diesel- und Benzin-Pkw allein in Deutschland aus“ - 24.09.2015 von MONITOR: „VW-Manipulationen: Abgas-Skandal mit Ansage“
- 24.9. 2015 im Handelsblatt: „Direkter Draht - zu jeder Regierung. Die Autobranche hat leichtes Spiel, ihre Interessen durchzusetzen – bislang“ Von Daniel Delhaes Berlin nicht komplett freigegeben)
- SPIEGEL 40/2015: „Deutsche Doppelmoral. Autoindustrie. Über die Tricksereien der Konzerne sah die Bundesregierung lange Jahre hinweg, sie unterhält zu den Vertretern der Branche enge Beziehungen.“ (nicht komplett freigegeben)
- 25.9. 2015 von Lobbycontrol: „VW-Skandal: Bundesregierung muss auf Abstand zur Autolobby gehen“
- 25.9. 2015 auf den Nachdenkseiten von Erik Jochem: „(Ex-)VW-Chef: Ein Fall für TTIP“