Tierschutz - ein Staatsziel ?
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- 14 September 2010
Tierschutz ist nicht nur ein rein rechtliches Problem, das durch Vorschriften und Gesetze zu lösen ist. Voraussetzung für einen Tierschutz, der in der ganzen Gesellschaft Anklang findet, ist seine Einbettung in sozial- und umweltpolitische Themen. Die artgerechte Nutztierhaltung in der Landwirtschaft kann beispielsweise nicht ohne die Förderung von klein- und mittelständischen Betrieben realisiert werden. Industrielle Schweinemastbetriebe, die ohne weiteres mehrere 10.000 Tiere beherbergen können, stehen häufig für nicht regionale und fehlende Kreislaufwirtschaft.
Futter - auch gentechnisch verändertes - wird zumeist aus dem Ausland importiert, die anfallende Gülle wird entweder ohne Rücksicht auf eine ausgeglichenen Stickstoffbilanz auf umliegende Felder oder mit der Folge von Flächenversiegelung und erhöhtem Verkehrsaufkommen auf entfernte Flächen, ausgebracht. Arbeitsschutz und geregelte Mindesteinkommen werden dabei oft vergessen. Das vordergründige Ziel industrieller Tierhaltungsanlagen ist Effizienzsteigerungen bei minimalen Produktionskosten. Dadurch werden am Ende auch kaum Arbeitsplätze geschaffen. Gerechnet auf die Zahl der Tiere, können die wenigen Beschäftigten in solchen Anlagen nur eine Mindestversorgung, jedoch keine vor- und versorgende Betreuung der Tiere hinsichtlich Haltung, Fütterung und medizinischer Versorgung gewährleisten. Gleiche Probleme sind auch in der industriellen Geflügelhaltung zur Eier- und Fleischproduktion anzutreffen.
Am 17. Mai 2002 stimmten der Bundestag, und vier Tage später der Bundesrat der Formulierung zu, den Tierschutz in das Grundgesetz aufzunehmen. Am 1. August 2002 trat die Grundgesetzänderung in Kraft. Damit ist der Tierschutz zum Staatsziel geworden. Geändert hat dies dennoch nichts daran, dass Tierversuche, industrielle Massentierhaltung, Importe von Produkten aus tierquälerischer Haltung oder gar von aus der Natur entnommenen Wildtieren weiterhin zulässig sind. Ausschlaggebend dafür sind wirtschaftliche Faktoren. Hühner in Käfigbatterien verursachen geringere Kosten, als Hühner in Freilandhaltung, wilde Graupapageien sind billiger als gezüchtete Tiere und Meeressäuger in Delfinarien versprechen kräftige Gewinne für die Betreiber. Natürlich sind in dieser Rechnung nicht die tatsächlichen Schäden an Natur und Umwelt aufgelistet.
Änderungen im Rechtssystem bedeuten noch keine Änderung im Wertesystem. Dafür bedarf es grundlegender Änderungen in der Auffassung vom Umgang mit Tieren in der Gesellschaft. Die Diskussion darüber wird nicht ausreichend geführt. Dies führt dazu, dass Tierschutz nach wie vor von der Mehrheit der Menschen als isoliertes Problem betrachtet wird.
Zu unseren grundlegenden Forderungen, die einen nachhaltigen Tierschutz ermöglichen können, gehört das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Dagegen sträubt sich die Regierungskoalition, weil Klagen gegen Tierschutzverstöße als legitimes Rechtsinstrument wirtschaftliche und Forschungsinteressen gefährden könnten. Denn dass der Tierschutz als Staatsziel zurzeit nur auf dem Papier steht und nur dürftig umgesetzt wird, zeigt das 2006 beschlossene Schächturteil. Danach dürfen Tiere ohne vorherige Betäubung getötet werden. Hier wurde der Berufs- und Religionsfreiheit der Vortritt gelassen.
Eine weitere wesentliche Forderung ist die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel aus oder mit tierischen Bestandteilen. Sie kann helfen, über die Kaufentscheidung die Haltungsbedingungen landwirtschaftlicher Nutztiere in Deutschland zu verbessern. Die Kennzeichnungspflicht für Eiprodukte könnte dabei den Anfang machen. Somit würden nicht nur Schaleneier, sondern auch Flüssigei- und Eiprodukte, die einen sehr hohen Marktanteil haben, in die Kennzeichnungspflicht einbezogen werden. Auf diese Weise würden versteckte Käfigeier in Lebensmitteln wie Keksen, Kuchen usw. für die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbar gemacht werden. Ein weiterer Schritt wäre die Angabe der Haltungsform anderer Nutztiere wie Schweine, Rinder, Kaninchen, Puten usw.. Die Null könnte dann beispielsweise für eine artgerechte Tierhaltung mit Freilauf, Sonnenlicht, Einstreu und Futter aus biologisch-dynamischer Produktion stehen. Es ist auch im Sinne des Verbraucherschutzes, Druck auf die Industrie über den Einkaufswagen zu machen. Dafür braucht es gesetzliche Regelungen.
Die Gestaltung des ländlichen Raumes, Arbeitsplatzbeschaffung und würdige Arbeits-platzbedingungen, Regional- und Kreislaufwirtschaft und die Förderung des ökologischen Landbaus sind nur einige von vielen Kernthemen, die die Tierschutzdebatte begleiten müssen. Das Tier muss in Politik und Gesellschaft einen neuen Stellenwert bekommen. Dafür setzt sich die Linke ein.