Klimakonferenz in Paris: Gallische Wolken vorm Endgame

logo ebs cop parisHeute Ankunft in Paris. In Le Bourget gehen die Klimaverhandlungen unaufhaltsam der entscheidenden Phase entgegen. Oder bildlicher ausgedrückt, mit der Spielersprache des internationalen Klimapokers, rückt das »Endgame« immer näher. In den Hallen und Gängen der Messehallen wird gemunkelt, dass es der französischen Präsidentschaft, dass es den Gastgebern der größten Klimakonferenz aller Zeiten vor allem darum gehe, die Operation »Weltklimavertrag« schnell und sauber über die Bühne zu bringen: Nämlich vor der zweiten Runde der Regionalwahlen im Land der Gallier, wo nach dem ersten Urnengang letzten Sonntag eine Woche drauf die Stichwahlen anstehen. Bis Freitag ist die COP21 anberaumt, noch nie seit COP1, 1991 in Berlin, konnten die TeilnehmerInnen ihre Koffer pünktlich in Richtung Ausgang rollen.

Mit großen Tamtam hat Umweltministerin Hendricks heute die Zahlung deutscher Gelder für Dämme, Unwetterbunker oder Frühwarnsysteme bekannt gegeben, Anpassung an den Klimawandel nennt sich das. Natürlich sind Mittel für die Länder, die am schlimmsten vom Klimawandel betroffen sind, wichtig. Und natürlich kann man Deutschland in Sachen Klimafinanzierung keine schwache Zahlungsmoral vorhalten. Allerdings hat die Industrienation, der Exportweltmeister »Made in Germany« aber auch eine besonders hohe Verantwortung. Historisch betrachtet gehört das »Land der Energiewende« nämlich zu den größten Verschmutzern der Atmosphäre. Auch sind die Millionen nicht wirklich viel. Und, rechnen die Autoren von Klimaretter vor, allein die Berliner Müllabfuhr gibt im Jahr das Zehnfache ausgibt: Für das Beseitigen von Herbstlaub und Hundekot.

Und natürlich sind es deutsche Autos, deutsche Maschinen, deutsche Zement- und Stahlwerke, die rund um den Globus einen Lebensstandard anfeuern, der auf Dauer nicht mehr haltbar ist. Damit also eines ganz klar ist: Die Deutschen sind nicht die Klimaretternation Nummer Eins. Das schöne Selbstbild vom deutschen Saubermann, es bröckelt. Der jährlich von der Klimaschutzorganisation Germanwatch veröffentlichte, heute in Paris vorgestellte Klimaschutz-Index 2015 liefert einen eher unschönen Blick in den Spiegel. Deutschland ist bestenfalls weltweites Mittelfeld, eben nicht eine lächelnde Klima-Mona-Lisa. Wegen der dreckigen Kohlekraftwerke liegt die Bundesrepublik abgeschlagen hinter Ländern wie Frankreich, wie Großbritannien, wie Rumänien, auf Platz 22. Mit Ruhm bekleckert sich aber niemand: Das Siegertreppchen bleibt leer, die ersten drei Plätze frei. Kein Staat der Erde tut genug gegen den Klimawandel.

Auf der Fahrt ins Stadtzentrum, es regnet jetzt wie in einem traurigen Parisfilm, lese ich mir das aktuelle Verhandlungspapier durch. Viele Fragen sind weiter offen: Wird die 1,5-Grad-Obergrenze verankert, wie es die Inselstaaten fordern. Wird es ein Langzeitziel geben, dass eine Dekarbonisierung, also den Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Gas anvisiert? Oder macht das schwache Ziel einer »klimaneutralen Wirtschaft«, mit Atomkraft und CCS das Rennen? Werden die schwachen, weil freiwilligen Klimabeiträge der Staaten alle fünf Jahre überprüft, in kurzen Abständen »angeschärft«, so dass alle Klimaschutz-Anstrengungen auch vergleichbar und »ambitioniert« sind, also die Welt auf einen Pfad bringen, der nicht katastrophal endet? Auch sollen Menschenrechte in ein Pariser Abkommen, nicht nur in die Präambel, den Vortext. Sondern in den völkerrechtlich verbindlichen Teil. Wird die Entschädigung für Klimaschäden (»Loss-and-Damage«), zu leisten von den Industrieländern an die Entwicklungsländer, mit im Vertrag stehen, und wenn ja, an welcher Stelle? Bei den Fragen der internationalen Klimafinanzierung gibt es bisher auch wenig Bewegung.

Nach einer Stunde am Ziel. Place du Colonel Fabien, ich steige ich aus der Metro, viele müde Menschen auf dem Weg nach Hause. Ein Meeting mit linken UmweltpolitikerInnen aus ganz Europa. Danach gehts zu Fuß weiter, zehn Minuten à pied zur Place de la Bataille de Stalingrad. Hier begegne ich den Menschen, die schon heute am eigenen Leibe erfahren, was Temperaturen über 50 Grad im Schatten bedeuten, was Wasser an der Tür der eigenen Wohnung heißt: Klimazeugen aus Afrika, aus Asien und dem Pazifik.

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