Akzeptanz wird zur harten Währung der Energiewende
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- 5 April 2018
- von Uwe Witt
Die Linksfraktion im Bundestag hat bereits vor gut zwei Jahren ein Fachgespräch zu Fragen der Akzeptanz, Bürgerbeteiligung und Naturverträglichkeit des Windkraftausbaus durchgeführt. Am 19. März 2018 fand im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags erneut eins statt. Im Zentrum standen neue Modelle für eine bessere finanzielle Beteiligung insbesondere von Standort-Kommunen.
Zur Einführung machte der neue energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Lorenz Gösta Beutin, die Problematik deutlich. Eine klare Mehrheit der Bevölkerung unterstütze die Energiewende. Der Zuspruch sinke allerdings nicht selten, wenn der Wandel vor dem eigenen Gartenzaun grüßt. Etwa wenn durch Windkraftanlagen oder neue Stromtrassen die seit Kindertagen gewohnten Sichtachsen verstellt werden, wenn Galerien von PV-Dächern von weither blitzen oder wenn offen sichtbare Technik in weitgehend unberührte Räume einzieht.
Viele Argumente von Windkraftgegnern ließen sich weitgehend entkräften, so Beutin. Dennoch blieben Windkraftanlagen ein Eingriff in das Landschaftsbild. Ihr klimapolitisch notwendiger massiver Ausbau sei in einer demokratischen Gesellschaft aber auf Akzeptanz angewiesen, gerade auch vor Ort. Dies könnte künftig ohne kluges Agieren aller Beteiligten problematisch werden. Akzeptanz werde zunehmend zur harten Währung der Energiewende; tragfähige Verständigung in den Regionen benötigen klare bundespolitische Rahmenbedingungen.
Beutin verwies auf die besondere Rolle der Beteiligung der Standortgemeinden an den Erträgen der Windkraft. Sie gingen bislang beim Ökostromboom oft leer aus oder würden mit Kleinigkeiten abgespeist - im Gegensatz zu Flächeneigentümern, auf deren Grundstücken Anlagen installiert werden. Diese Schieflage löse oft Unmut in den Gemeinden aus, weil viele Menschen nur die negativ empfundenen Folgen des Ausbaus spürten. Auch für die Bundestagsfraktion DIE LINKE. sei es darum essentiell, Modelle zu finden, die eine direkte finanzielle Beteiligung der Standortgemeinden ermöglichten. Notwendig sei überdies die bessere Einbindung betroffener Kommunen in die Planungs- und Genehmigungsprozesse.
Anschließend wurde es als Grundlage zunächst theoretischer. Prof. Dr. Thorsten Beckers von der TU Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) referierte darüber, wie Erträge aus der Ökostromerzeugung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren aus Sicht der Wissenschaft aufgeteilt werden könnten. Sein Kollege Ralf Ott illustrierte dies an anhand von nationalen und internationalen Beispielen.
Danach wurden von Experten drei interessante neue Modelle vorgestellt, insbesondere auch zu finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten für Standortgemeinden. Das erste der Energiewende-Denkfabrik „Agora Energiewende“ erläuterte Dr. Gerd Rosenkranz, Projektleiter des renommierten think tank. Es sieht vor, eine Windkraft-Abgabe einzuführen, welche den Standortgemeinden zugute kommt. Sie würde sich nach Anlagenhöhe und installierter Leistung berechnen. Ein zweiter Vorschlag der Agora Energiewende hat u.a. zum Ziel, zu Gunsten von Kommunen die Flächensteuerung bei der Planung von Windenergieanlagen sowie die Öffentlichkeitsbeteiligung bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu verbessern.
Das dritte Modell stellte Sebastian Kunze, Referatsleiter wirtschaftliche Betätigung, Energiewirtschaftsrecht des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, vor. Der Verband will eine Konzessionsabgabe für die Einspeisungen von Ökostrom einführen, deren Einnahmen dann den Windkraft-Standortgemeinden zusätzlich zur Verfügung ständen. So sollen die Städte und Gemeinden an der Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien partizipieren.
Nach den Vorträgen blieb eine knappe Stunde für eine spannende Debatte über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle.